Abt Dessl: „Ohne Verzicht geht es nirgends“
Von Josef Ertl
P. Reinhold Dessl ist seit neun Jahren Abt des Zisterzienserstiftes Wilhering. Der Mühlviertler ist Vorsitzender der oberösterreichischen Ordenskonferenz. Weiters ist er mit einem großen Team Pfarrer von Gramastetten und Eidenberg und Dechant des Dekanates Ottensheim. Am 6. August hat er seinen 60. Geburtstag gefeiert. Am 15. August, dem Festtag Mariä Himmelfahrt, wird die Messe aus der Wilheringer Rokokokirche um 10 Uhr auf Ö2 und ORF III live übertragen.
KURIER: Mit 60 schaut man auch auf sein Leben zurück. Wie geht es einem Mönch bzw. Abt dabei?
Reinhold Dessl: Von diesen 60 Jahren bin ich 50 Jahre im Stift Wilhering. 1972 bin ich ins Stiftsgymnasium gekommen. Wilhering ist meine Heimat, ich habe die Freude am Ordensleben in keiner Weise verloren, trotz aller Schwierigkeiten, trotz aller Höhen und Tiefen.
Was bedeutet Ordensleben?
Das ist kein Sonderweg. Es heißt, die christliche Botschaft ins Heute zu übersetzen. Es ist ein Leben nach dem Evangelium. Die Klöster werden in Zeiten der Säkularisierung, in Zeiten, in denen pfarrliche Strukturen immer größer werden, nicht an Bedeutung verlieren, sondern zunehmen. Das sind verlässliche Ort christlichen Lebens und einer gewissen Gebetsstruktur.
Ordensleben heißt auch Verzicht. Auf Frau und Kinder, auf Sexualität, auf Wohlstand. Es bedeutet ora et labora, Beten und Arbeiten.
Ohne Verzicht geht es nirgends. Nicht um seiner selbst Willen oder weil wir Masochisten sind, sondern um eines höheren Gutes Willen. In den vergangenen Wochen ist das Wort wieder öfter in den Mund genommen worden. Wir verzichten momentan auf manche Annehmlichkeiten in Bezug auf die Menschenrechtslage in Europa, auf den Krieg in der Ukraine. Wenn wir wirklich die Demokratie fördern wollen und hinter ihr stehen, müssen wir gewisse Nachteile, zum Beispiel im Energiesektor, in Kauf nehmen.
Es ist gegen den Zeitgeist, in einen Orden einzutreten. Wie geht es hier dem Stift Wilhering und wie gehen Sie damit um? Wir hoffen auf Berufungen und beten um sie. Es gibt sie in einzelnen Gemeinschaften, nicht mehr so viele wie früher, aber es gibt sie. Man soll nicht jammern über das, was nicht ist, sondern sich über die Möglichkeiten freuen. Und das, was möglich ist, tun. Und das andere dem lieben Gott überlassen. Das ist ein alter christlicher Grundsatz.
Wir sind dabei, eine zisterziensische Weggemeinschaft einzurichten, in der verheiratete Männer die Möglichkeit haben, am Klosterleben teilzunehmen, soweit es Familie und Beruf zulassen. Sie nehmen am Gemeinschaftsleben, am Gebetsleben und auch an der Arbeit teil. Natürlich nicht die ganze Zeit, sondern ein verlängertes Wochenende im Monat. Wir haben einen, der jeden Tag um 6 Uhr früh zum Gebet kommt. Wir nehmen heuer die ersten vier für ein Probejahr auf. Die Ehefrauen müssen zustimmen, die Familie bleibt für sie quasi das erste Kloster, für uns sind sie wirklich eine Hilfe und eine Verlebendigung des Lebens.
Wie viele Ordensbrüder gehören dem Stift an?
Momentan sind es 16. Neben dem Klosterleben, das das Zentrum ist, haben wir das Gymnasium mit 520 Schülerinnen und Schülern. Drei Patres unterrichten. Der zweite große Aufgabenbereich sind unsere zehn Pfarren, die durch die Strukturreform langfristig zu zwei Pfarren reduziert werden. Wilhering ist ein Ort der Spiritualität, der Bildung und der Seelsorge. Und zunehmend auch der Gastfreundschaft. Durch das Café und das Museum kommen immer mehr Pilger und Gäste zu uns.
Zum Stift gehören auch landwirtschaftliche Besitzungen wie zum Beispiel der Kürnberger Wald, Felder und die ehemalige Gärtnerei.
Für unsere Mission brauchen wir ein solides wirtschaftliches Fundament. Es ist in den vergangenen Jahrzehnten Gott sei Dank sehr gut gewirtschaftet worden. Aber für die Zukunft müssen wir überlegen, wie wir die wirtschaftliche Basis legen können. Durch den Borkenkäfer gibt es im Kürnberger Wald einen massiven Einschnitt. Er wird einige Jahre weniger Geld abwerfen. Die Gärtnerei ist an die Firma efko verpachtet. Die Wirtschaft ist im Umbruch.
Wie hat sich Ihre persönliche Berufung abgespielt?
Berufung fällt nicht vom Himmel. Sie wächst an konkreten Vorbildern, an konkreten Orten und Situationen. Gott spricht durch Lebenssituationen und Mitmenschen. Für mich war es das Vorbild, das die Wilheringer Patres gegeben haben, trotz Höhen und Tiefen. Das christliche Vorbild hat mich angezogen.
Hat es für Sie auch schwierige Situationen gegeben?
Natürlich hat es sie gegeben. Es wird sie immer wieder geben. Der Glaube, die Beziehung zu Gott, ist immer wieder eine Herausforderung. Dass man zweifelt, gehört dazu. Der Zweifel ist eine Schwester des Glaubens. Man wird auch nachlässig im Gebetsleben, wo es immer wieder eine Erneuerung braucht. Das ist die größte Herausforderung. Natürlich ist auch die Ehelosigkeit ein Stachel. Es wäre schön mit Beziehung, Partnerschaft und auch Familie. Es ist der Gehorsam eine Herausforderung, das sich zur Verfügung stellen. Aber es ist auch der Glaube eine Herausforderung.
Wie sieht Ihr Tag aus?
Ich stehe jeden Tag um 5.30 Uhr auf, um 6 Uhr ist die erste Gebetszeit gemeinsam mit den Brüdern. Gebet und Meditation dauern schon mindestens eine Stunde, dazu kommt noch die Messe. Eineinhalb Stunden ist Zeit für geistliches Tun. Das ist ein ungemeiner Luxus. Allein dafür lohnt sich das Ordensleben. Zwischendurch ist die Arbeit, das sind viele Besprechungen. Einmal im Monat mit dem Gymnasium, Besprechungen und Weichenstellungen in den Pfarren. Es gibt viele Besuche, ich bin auch Gastmeister. Die drei Bereiche Seelsorge, Wirtschaft, und Bildung begleiten mich auch in meiner täglichen Arbeit. Die Vielfalt macht Freude.
11.45 Uhr ist zehnminütiges Mittagsgebet, anschließend Mittagessen und eine kleine Erholungspause. Um spätestens 14 Uhr geht es wieder mit der Arbeit los. Das Abendgebet ist um 18 Uhr, anschließend Abendessen, das letzte Gebet ist um 19 Uhr. Abends habe ich noch oft Sitzungen in den Pfarren.