Chronik/Niederösterreich

Zwettl: "Das fördert ihr Selbstwertgefühl"

Poldi, nicht einschlafen!“ Kursleiter Andreas Piringer ruft seinem Schützling zu und versucht ihn zum Weitermachen zu motivieren. Trotzdem wird das Malen für den 30-jährigen Leopold immer mehr zur Nebensache.

Die Augen des Mehrfachbehinderten sind zeitweise geschlossen. Er liegt ausgestreckt auf einer weißen Unterlage, sein Kopf auf einem weichen Polster, und genießt sichtlich die Ruhe im Therapieraum in Zwettl. Seine rechte Hand – eingetaucht in hellgrüner und goldener Farbe – wartet vergebens auf dem weißen Blatt Papier, von Poldi selbst bewegt zu werden. Wenn der 30-Jährige nicht gerade dahindöst, sorgt er für spannende Farbkombinationen.

Formen

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Die 36-jährige Irene ist das gleiche Mal-Genie. Der einzige Unterschied: Die Farben Rot, Blau und Weiß sind weniger auf ihrem weißen Blatt Papier als viel mehr auf ihren Unterarmen zu finden. Ihr gefällt’s, ist zumindest der erste Eindruck. Wer genauer hinsieht, entdeckt beeindruckende Farbstrukturen und kreative Formen sowohl auf ihrem Blatt als auch auf beiden Armen. Irene gehört genauso wie Poldi zu einer Gruppe schwer körperlich und mehrfach behinderter Menschen, die in der Therapiestätte für ganzheitliche Förderung (GFGF) in Zwettl betreut werden. Das Kreativ-Projekt „Mal.Art – Kunst, die nicht behindert“ sehen die Teilnehmer als ihre künstlerische Berufung.

Beim Malen nimmt Kursleiter Piringer auf die individuellen Bedürfnisse der Klienten Rücksicht. Roland, 24, etwa sitzt lieber alleine vor der Staffelei, lässt einen orangen Farbklecks, auf dem Blatt Papier, auf sich wirken und überlegt genau, ehe er zum Pinsel greift und loslegt. Sobald seine Latex-Handschuhe schmutzig sind, wartet er, bis ihm ein Betreuer neue anzieht. Klingt fast so, als wäre er ein Künstler mit Starallüren. Roland meint es natürlich nicht so.

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„Jeder hat seinen eigenen Malstil. Es ist unglaublich, was es am Ende auf den fertigen Bildern zu sehen gibt“, sagt Piringer, während er Klaus – mit blauer Farbe auf seinen Füßen – über eine Holzplatte marschieren lässt. „Langsam kommt Klaus in Schwung und will gar nicht mehr aufhören“, freut sich der Kursleiter. Klaus bringt Fußabdrücke auf die Platte. Was er gestaltet, kann der 27-Jährige aber selber nicht sehen. Seit seiner Geburt ist er blind, taubstumm und kann nur über das Fühlen Sinne wahrnehmen. Anhand seiner Laute erkennen seine Betreuer aber, dass er viel Spaß hat. „Klaus liebt das Malen. Er spürt, wie angenehm die Farben auf seinen Füßen sind“, schildert seine Mutter, die ebenfalls als Betreuerin in der Zwettler Therapiestätte tätig ist.

Die Idee dazu hatte Andreas Piringer vor knapp vier Jahren. „Damals wollten wir den Klienten, die sich nicht als Akteure bei unserem Zirkusprogramm beteiligen wollten, eine andere Beschäftigung bieten“, erzählt Piringer. So sei mit „Mal.Art“ eine Möglichkeit entstanden, bei der die Teilnehmer mit Farben ihre eigene Persönlichkeit ausdrücken können. Sie seien stolz, wenn ihre Kunstwerke bei Vernissagen bewundert und sie gelobt würden. Das steigere ihr Selbstwertgefühl. „Malen gibt den Leuten so viel Positives“, betont Piringer.

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