Ziel ist der Sieg über sich selbst
Von Ernst Mauritz
Höher, schneller, weiter: Diesem olympischen Motto huldigen auch viele Hobbysportler. "Leistung im Freizeitsport ist ja auch etwas Gutes", sagt der langjährige Triathlet Günter Heidinger. Doch für den AHS-Professor und Psychologen ist die körperliche Bewegung mittlerweile nur mehr eine von drei Ebenen des Sports: "Er kann auch zur geistigen und spirituellen Weiterentwicklung beitragen – das unterschätzen viele." Er hat dafür den Begriff "Zen-Running" geprägt – und jetzt ein Buch zum Thema veröffentlicht.
KURIER: Wie sind Sie auf "Zen-Running" gekommen?
1989 hat sich der US-Triathlet Mark Allen als ,"Zen-Runner" bezeichnet – damals gewann er auf Hawaii das erste Mal den legendären Ironman. Eines seiner Erfolgsgeheimnisse war seine große mentale Stärke. Gerade in den fernöstlichen Kulturen geht es beim körperlichen Training nicht nur um das Ermitteln und Vergleichen von Leistung, sondern viel mehr auch um die Vervollkommnung von Körper und auch Geist.
Aber ist nicht gerade ein Wettkampf auch für Hobbysportler eine Motivation?
Keine Frage. Sie versuchen von Jahr zu Jahr ihre Laufzeiten zu verbessern, werten die Ergebnislisten in ihrer Altersklasse aus. Auch ich habe sehr lange Leistungssport praktiziert, aber man muss mit den Jahren aufpassen, dass das nicht zum Selbstzweck wird. Sport sollte mehr sein als Wettkampf, er ist ein Lebensweg. Wer nur eine neue persönliche Bestzeit als einzige Motivation hat, läuft Gefahr, irgendwann frustriert zu sein und mit dem Sport ganz aufzuhören. Ich habe viele Bekannte, denen es so ergangen ist – und die total faul und träge geworden sind.
Wieso?
Weil spätestens dann, wenn sich die Leistung nicht mehr steigern lässt, oft die Luft heraußen ist und viele keinen Sinn mehr in weiterer sportlicher Aktivität sehen. Doch gerade dann, wenn die Leistungssteigerung ausgereizt ist, sollte man sich auf diesen Mehrwert für Geist und Seele konzentrieren. Ziel des Zen-Runners ist nicht der Sieg über andere, sondern über sich selbst, über seine eigenen Schwächen und Mängel. Der Sport soll zur Lebensphilosophie werden, der entscheidende Impulse liefern kann, das eigene geistige und seelische Potenzial auszuschöpfen. Damit ist etwas anders als nur das oft zitierte Ausschütten von Endorphinen gemeint. Und es hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern ist eine Art Selbstschulung.
Wie setzt man das um?
Man kann gezielt daran arbeiten, das Laufen – aber auch andere Sportarten – zur Meditation, Reflexion, aber auch zur Kontemplation zu nützen. Versuchen Sie, ein Mal in der Woche zu laufen, um bewusst zu meditieren. Damit können Sie auch Konzentration und Aufmerksamkeit enorm schulen.
Welche Tipps können Sie ganz konkret geben?
Ich sehe viele Läufer mit verkrampftem Gesicht und ständigem Blick auf Pulsuhr und Kilometermarken. Laufen Sie das eine oder andere Mal völlig befreit, ohne Leistungsdruck. Lassen Sie alle Gedanken über Sieg und Zeit hinter sich. Wem das gelingt, der motiviert sich auch nach einem anstrengenden Arbeitstag leichter, noch hinaus und laufen zu gehen.
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