Wachau: Flucht aus der Touristenhochburg
Von Jürgen Zahrl
Während die Gemeinden um Krems einen deutlichen Zuzug spüren, muss das Hinterland mit Sorgen leben. Ausgerechnet die viel bereiste und bewunderte Wachau scheint auszusterben. Wie die Zahlen der Statistik Austria belegen, gehören Rossatz-Arnsdorf und Dürnstein zu den größten Verlierern, weil die Baugründe rar und teuer, die Gestaltungsvorschriften streng sind. Zwar versprechen Gemeindevertreter Maßnahmen, doch die Experten sind skeptisch.
Die Gemeinde Dürnstein ist mit 864 Einwohnern und einer Abwanderung von rund acht Prozent (seit 2003) eines der Wachauer Sorgenkinder. „Weniger als 1000 Bewohner sind für einen Nahversorger bereits eine kritische Größe“, schildert Kauffrau Barbara Böhmer. Da sie sich als Kämpfernatur sieht, will sie nicht aufgeben: „Zum Glück besuchen uns im Sommer viele Touristen, sonst würde es sehr mager aussehen.“
Derzeit verirren sich nur wenige Reisende aus Japan oder Holland in die Altstadt. In der Hauptsaison ab Mitte April drängen sich bis zu 1800 Gäste pro Tag durch die Gassen im Zentrum. Dort betreibt auch der gebürtige Franzose Vincent Gingembre ein Mode- und Souvenirgeschäft. „Ich hätte gern eine Wohnung in Dürnstein. Wenn eine verkauft wird, erfährt man es aber selten oder sie ist viel zu teuer“, sagt der Geschäftsmann, der seit Jahren in Krems lebt.
Dass Dürnstein in Sachen Landflucht – Geburten- und Wanderbilanz sind negativ – viele Hürden vor sich hat, gibt Bürgermeister Johann Schmidl offen zu. „Unsere Altstadt ist für junge Familien unattraktiv. Einerseits ist die Zufahrt ins Zentrum durch den gewollten Massentourismus schwierig, andererseits ist man bei den leer stehenden Häusern oft mit dem Denkmalschutz konfrontiert.“ Ein Aufweichen kommt für ihn nicht in Frage, weil gerade wegen der alten und schönen Fassaden die Gäste in den Ort kommen.
Existenzgrundlage
Außerhalb der Altstadt spießt es sich bei der Verfügbarkeit freier Flächen. Zwar seien Grundstücke als Bauland gewidmet, aber viele Winzer nicht bereit, Weingärten zu verkaufen. „Ihre Flächen sehen sie natürlich als Existenzgrundlage, um konkurrenzfähig zu bleiben“, schildert Schmidl. Trotzdem hofft er auf einen Konsens, um bald wieder günstige Grundstücke ab 150 Euro pro Quadratmeter anbieten zu können.
Am Südufer der Donau ist die Situation nicht besser. Im Gegenteil: Rossatz-Arnsdorf verlor seit 2003 jeden zehnten Bürger. Gemeindechef Erich Polz macht dafür die fehlenden Baugründe verantwortlich. Derzeit spricht er aber von einem Aufwärtstrend und von zumindest neun freien Bauplätzen in der Katastralgemeinde Rührsdorf. Um auf wenig Fläche möglichst viele Zuzügler ansiedeln zu können, ist darauf eine geschlossene Bebauung wie in alten Dörfern vorgeschrieben. Vollwertige Jobs sind aus seiner Sicht im Tourismus und Weinbau zu finden. „Davon müssen wir unsere Bewohner aber noch überzeugen“, sagt Polz.
Das Dilemma in der Wachau kennen Experten genau: „Ich kenne einige Interessenten, die in der Wachau etwas suchen. Aber denen sind die Objekte zu teuer“, sagt Makler Jürgen Heinzl. Dürnstein sei eher für Zweitwohnsitzer interessant: „Junge Familien siedeln sich lieber dort an, wo es nicht zu touristisch ist.“ Dass die Preise stellenweise überzogen sind, habe er etwa in Rossatz erlebt. „Nachdem ein Russe dort eine Immobilie gekauft hatte, sind rundherum die Preise rauf gegangen“, sagt Heinzl.
Raumordnungsexpertin Gerlind Weber sieht wenig Chancen auf Besserung und nennt Spitz als Beispiel aus ihrer Studie aus dem Jahr 2008: „Bis 2020 wollte Spitz 2000 Einwohner durch verfügbare Baugründe und Verbesserung der Infrastruktur erzielen.“ Davon sei man weit entfernt. Sie sieht teilweise den Weltkulturerbe-Schutz als Hemmschuh und glaubt, dass die Kommunen stärker kooperieren müssten.