Voodoo Jürgens: "A Egon Schiele für Oarme"
Von Lisa Rieger
Sie sind in Tulln aufgewachsen. Wie war Ihre Kindheit?
Voodoo Jürgens: Bis ich 14 Jahre alt war, ist es eh super gewesen, weil wir die ganze Zeit im Hof oder am Eislaufplatz oder im Aubad herumzischt san und ich so gut wie nie daham gewesen bin. Die Kindheit in Wien warat eine ganz andere gewesen. War schon super, dass man so viel im Grünen ist. Aber irgendwann ist es zu wenig gewesen. Das hat angefangen, als ich zu Konzerten und Veranstaltungen wollte und in Tulln ist das nicht gegangen. Man kann nicht sagen, dass das automatisch so ist, wenn man am Land aufgewachsen ist, aber in Tulln hats halt immer die Nähe zu Wien gegeben und die, die was erleben wollten, sind dann auch nach Wien zum Fortgehen gegangen. Hingezogen bin ich dann mit 19 Jahren.
Gab es in Tulln auch die ersten musikalischen Gehversuche?
Mit 15 Jahren hab ich eine Konditorlehre angefangen. Da war ein Knackpunkt. Da ist ma dann das Licht aufgangen, was das heißt, wo ich jeden Tag um fünf in der Früh aufgstanden bin und in den 22. Bezirk außeghupft bin und nimma so glücklich war. Da ist dann Schlag auf Schlag gangen. Zu der Zeit hat mich auf einmal andere Musik interessiert. Und meistens, wenn ich mich für was begeistern kann, will ich es auch selber ausprobieren. So ist es dann weitergegangen. Im zweiten Jahr hab ich die Lehre dann abgebrochen. Ich wollt halt damals auch schon musizieren, hab’s auch, aber da war die Vorstellung, dass sichs echt mal ausgeht als Band noch nicht da. Ich hab dann die Abendschule gemacht, aber bin dranblieben am Musizieren.
Zu Ihrem Markenzeichen zählt unter anderem die Mundart. Wann war klar, dass Sie im Dialekt musizieren werden?
Dass ich die Dialektplatte gemacht hab, hat gedauert. Hab mich zuerst nicht wirklich wohl gefühlt. Weiß gar nicht, warum das dann auf einmal funktioniert hat. Irgendwie hab ich dann eine eigene Art gefunden, wie ich mitm Dialekt umgehen kann, dass er mir net unangenehm ist. Davor war er mir unangenehm. Da hats auch eine Zeit gegeben, da hab ich versucht, ihn mir abzugewöhnen.
Warum war er unangenehm?
Das hatte mit dem Freundeskreis zu tun. Das waren alles Gymnasiasten. Das waren zwei Welten, ich bin ja in die Hauptschule gegangen. Die haben halt dann alle nach der Schrift gredet. Das ist halt dann nicht angenehm, wennst der anzige bist, der ausschert. Da wars irgendwie logisch für mich, dass ich mich dann zrucknimm. Außerdem is ja nicht schlecht, wenn man beides kann. Jetzt taugt es mir, dass ich auf einen Wortschatz zrückgreifen kann, der nicht 08/15 ist.
Im Lied „Tulln“ geht es um Ihre Kindheit in der Stadt. Sie thematisieren, dass Ihr Vater ins Gefängnis musste und dass der „Stadtpark-Ferl“ 500 Schilling hergegeben hat, wenn man ihm beim Onanieren zugeschaut hat. Warum haben Sie das Lied gemacht?
Die Tullner Gemeinde hat einmal ein Lied machen lassen und das hat mich damals so geärgert, alles war umgedreht. Das hat mitgespielt, warum ich dann selber eines gemacht hab. Dann hab ich drüber nachdacht und hab mir dacht, ich kanns auch nur so aus meiner Perspektive machen, wie es mir gegangen ist. Das heißt nicht, dass das Leben in Tulln so war. Es ist eine Perspektive. Es ist schwierig, das Gesamte, also für alle zu sprechen. Man sollte im Klanen versuchen, für sich selbst, das so gut wie möglich auszudrücken. Ich halt nix von Floskeln, die allgemein gültig sind, die heißen nix.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich schreib grade an einer neuen Plattn. Im Frühling werdma anfangen, sie aufzunehmen.
Wird es einen neuen Dreh dabei geben?
Bei der ersten Platte hab ich solo begonnen, jetzt wird es eine Bandplattn. Das wird sich auf jeden Fall anders anfühlen. Und Gschichtn können auch nicht immer die gleichen daherkommen. Irgendwie sollts insgesamt scho das nächste Level sein, aber auch nicht weggehen. A logische Weiterentwicklung.
Sind neue erzählenswerte Geschichten dazugekommen?
Es rattert die ganze Zeit mit. Aber wenn man was will, dann gehts nicht einfach so: Wer sagt was Oarges, wer zieht wem eine mit da Flasche drüber? Ich glaub, man muss Plattn Zeit gebn, um sich selber zu ordnen. Aber Gschichtn find ich genug. Man kann von allen möglichen Leuten im 20. Jahrhundert erzählen. Biografien von Leutn interessieren mich. Das macht mir Spaß zu recherchieren.
Haben Sie da momentan eine bestimmte Person im Kopf?
Wo ich schon länger dran bin, aber irgendwie nicht weiterkomm, ist ein Fotograf, der hat „da Koarl vom Koarlsplatz“ gheißn. Der hat die ganze Szene immer fotografiert und is selber a Giftler gewesen. Er ist keine Berühmtheit, aber würde mich interessieren.
Es gibt auch Filmprojekte. Würde es Sie reizen, mehr in diese Richtung zu machen?
Es daugt mir, wenn die Rolle passt, dass ich ein bisserl reinschnuppern kann. Aber der Fokus ist die Musik. Malen tu ich auch ganz gern, aber das muss man nicht ausstellen.
Was malen Sie da?
Hauptsächlich Gsichter eigentlich. Die schauen immer a bissl krüppelig aus. A Egon Schiele für Oarme, haben schon a paar gsagt.
Hat sich Ihr Leben durch das Berühmtsein radikal verändert?
Radikal nicht, aber es hat sich verändert. Vor allem kohletechnisch wars vorher immer schwierig, darüber muss ich mir jetzt keine Sorgen mehr machen. Aber es liegt daran, was man draus macht. Man kann vü Geld habn und unglücklich sein oder wenig und ned. Man muss verfolgen, wo man glaubt, dass es gut für einen ist. Unter dem strauchl ich genauso, wie ichs mit wenig Geld gmacht hab.
Über Voodoo Jürgens: David Öllerer, wie der Künstler heißt, wurde 1983 in Tulln geboren. Seine Konditorlehre brach er ab. Später arbeitete er zeitweise als Gärtner auf einem Friedhof. Sein Lied „Heite grobma Tote aus“, mit dem ihm 2016 der Durchbruch als Voodoo Jürgens gelang, ist daran angelehnt. Sein Markenzeichen sind die schwarzhumorigen Texte im Wiener Dialekt.