Chronik/Niederösterreich

Videotheken: „Branche ist de facto ausgestorben“

"Mein Verstand sagt, ich sollte aufhören. Aber mein Herz meint, meine Stammkunden brauchen mich." Elke Joksch aus Krems sieht ihre Videothek nicht als Beruf, sondern als pure Leidenschaft. "Man darf die Vorlieben der Kunden kennenlernen und mit ihnen über die Filme diskutieren", erzählt die 52-Jährige. Trotzdem hat sie sich damit abgefunden, dass es gegen Streamingdienste wie Netflix oder Amazon nichts mehr zu gewinnen gibt. "Solange ich mit beiden Beinen auf dem Boden stehe und selber nicht viel brauche, geht es sich aus", sagt Joksch.

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Wenn man den Niedergang ihrer einst blühenden Branche mit einem Filmtitel beschreiben müsste, würde "Stirb langsam" passen. Gab es vor zehn Jahren alleine in Wien 120 Videotheken, sind es jetzt maximal zehn, in Niederösterreich nur mehr drei. Bundesweit sprechen Branchenkenner von weniger als 50 Geschäften. "Der Videotheken-Markt ist völlig zusammengebrochen. Ich habe keine Lösung mehr", sagt Wolfgang Krejcik, Obmann der Sparte Elektrohandel in der Wirtschaftskammer. Bezeichnend für die bittere Lage ist, dass selbst der Posten seines Fachgruppensprechers nach dessen Konkurs nicht mehr nachbesetzt wurde. "Die Branche ist de facto ausgestorben", sagt Krejcik, der dafür zwei Ursachen sieht.

Raubkopien

In den 2000er-Jahren war es verbreitet, Kinofilme aus dem Internet illegal herunterzuladen und als Raubkopien zu verkaufen. Als man das Problem in den Griff bekam, tauchte eine legale Konkurrenz auf. Seither ist es ein boomendes Geschäft, Filme und Serien über Webdienste wie Netflix, Sky oder Amazon zu streamen (siehe Kasten). Übrig geblieben sind nur mehr einzelne Videotheken, die eine Nische gefunden haben oder nur noch als Liebhaberei weitergeführt werden. "Früher habe ich bis zu 1000 Filme am Wochenende verliehen. In den letzten vier bis fünf Jahren ist die Zahl massiv zurückgegangen", sagt Joksch. Wer ihren Laden betritt, taucht ein in eine nostalgisch anmutende Filmwelt, die an glanzvolle Zeiten in den 1990er-Jahren erinnert. In unzähligen Regalen sind Tausende DVDs, Blurays und Videospiele sauber aneinander gereiht. Dazwischen weisen Plakate auf Neuerscheinungen hin. "Waren Actionstreifen früher die Renner, greifen jetzt die meisten zu Horror- und dann erst zu Actionmovies. Auch französische Filme sind gefragt", sagt Joksch. Um über die Runden zu kommen, bietet sie Paketannahmen als Extra an. "Ich hoffe, dass ich noch lange durchhalte", sagt sie.

Mehr als 10.000 Filme umfasst das Sortiment von "Gerhard’s Plattenbox". Seit 1982 versorgt Gerhard Bozdech Filmfreunde in Bad Vöslau und Umgebung mit "Futter" für das Heimkino. "Das Publikum ist gemischt und reicht von der Oma bis zum Enkerl, mittlerweile ist es die dritte Generation." Nur weil die klassische Videothek manchen als antiquiert erscheint, darf es das Angebot nicht sein: "Wir müssen die neuesten Filme genauso haben wie Klassiker. Wenn sich jemand etwa den jüngsten Star Wars-Teil ausborgt, will er oft auch die älteren Filme sehen." Obwohl die Plattenbox modern ausgerüstet ist, Filme online ausgewählt und zu jeder Tag- und Nachtzeit mittels Automat ausgeborgt werden können, ziehen nicht wenige Kunden den persönlichen Besuch vor und gustieren vor den Regalen. "Alle Filme können wir natürlich nicht ausstellen. Manche lassen sich aber beraten, was ich empfehlen könnte." Selbst ist Bozdech übrigens auch Filmfan, "sonst geht das ja nicht".

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Als "Delikatessen"-Videothek sieht Alexander Lustig seine Filmgalerie "Achteinhalb" in der Garnisongasse in Wien, die Klassiker, anspruchsvolle oder künstlerisch wertvolle Filme anbietet. "Rundherum hat sich bereits eine Community gebildet, für die wir eine Anlaufstelle sind." Auch er musste auf Umstände reagieren. "Jetzt sind wir ein Verein und können auch Förderungen beantragen, um zumindest die Fixkosten zu decken", sagt Lustig.