Vermarkter appelliert: Österreich braucht mehr Wein
Von Bernhard Ichner
Frost führte in der Steiermark zur geringsten Erntemenge seit 50 Jahren. Die Winzer konnten nur etwa 25 Prozent des durchschnittlichen Jahresertrags einfahren. Und auch das Burgenland hat ein Minus von bis zu 50 Prozent zu beklagen. Jahrgänge wie dieser reduzieren nicht nur den Umsatz der Weinbauern und gefährden Jobs (laut einer aktuellen Studie schafft die heimische Weinbranche 75.000 Arbeitsplätze im Jahr), sondern schmälern auch die Exportchancen.
Ein Appell kommt deshalb von Österreichs oberstem Wein-Vermarkter, Willi Klinger. Der Chef des Österreichischen Wein-Marketings (ÖWM) schlägt vor, die Anbaufläche in guten Lagen maßvoll zu erweitern. Würde die EU doch erlauben, jährlich bundesweit 450 Hektar zusätzlich auszupflanzen. Bis dato wurde dieser Rahmen aber nicht einmal annähernd ausgenutzt.
Verkaufshit Veltliner
Das ist gut – in den Augen des Vermarkters aber steigerbar. Klinger vertritt „eine offensive Weinpolitik“. „Ich will Mut machen und zeigen, dass beim Wein noch was drinnen ist.“ Sein Ziel wären 55 bis 60 Millionen Liter, bei einem Umsatz von 200 Millionen Euro. Und er appelliert an die Branche: „Im 50-Euro-Bereich ist der Markt limitiert. Was wir in Zukunft mehr brauchen sind klassische Grüne Veltliner und Co. Im Billigsortiment können wir nicht punkten, aber das Segment zwischen 3,99 und 4,99 Euro dürfen wir nicht dem Ausland überlassen.“
Insbesondere der österreichische Weißwein habe einen Absatzmarkt rund um den Globus. Möglich sei die PR-Offensive aber nur dann, wenn auch in Zukunft ausreichend Mittel für das Dachmarketing zur Verfügung stehen, betont Klinger.
Von den herkunftstypischen Weinen bedürfe es mehr, aber keine Schwemme, meint Klinger. Vom Weinviertel DAC (Grüner Veltliner) könne man mittelfristig mit professionellem Marketing leicht das Doppelte absetzen. Die Steiermark sei mit dem qualitativ hervorragenden Sauvignon Blanc ebenfalls auf einem guten Weg, müsse aber vor allem den englischsprachigen Raum noch stärker für sich erobern. Und auch das Burgenland habe mit Zweigelt und Blaufränkisch starke Sorten im Rennen. „Eine Weißwein-Identität muss das Burgenland erst aufbauen – etwa bei den Burgundersorten oder beim Welschriesling.“
„Genügsam wachsen“
Offene Türen rennt Klinger in der Steiermark ein – wo etwa zehn Prozent der heimischen Anbauflächen liegen. „Wir nützen die Erweiterungsflächen, die für uns reserviert sind, voll aus – heuer waren es 70 Hektar. Der Wunsch nach Flächenerweiterung ist groß“, erklärt etwa Werner Luttenberger, Weinbaureferent bei der Landwirtschaftskammer. Allerdings mahnt auch Luttenberger: „Der Markt muss langsam wachsen, das Schlimmste wäre eine Überproduktion.“
In dieselbe Kerbe schlägt Weinbau-Präsident Johannes Schmuckenschlager aus NÖ: „Genügsam wachsen – ja, aber nicht zu expansiv.“
Bedarf an Neuauspflanzungen – insbesondere auf guten Lagen am Leithaberg – sieht zwar auch Christian Zechmeister, Geschäftsführer von „Wein Burgenland“. Ausgenutzt werde das jährliche Erweiterungspotenzial allerdings nicht einmal annähernd. Letztlich müsse „jeder Betrieb selbst entscheiden, was er investieren will und was er verkaufen kann“.
Das bestätigt einer, der es wissen muss: Josef Dockner aus dem Kremstal, der aktuell über 75 Hektar Eigenfläche und 65 Hektar Vertragsflächen verfügt und jährlich eine Million Flaschen abfüllt. Zu 80 Prozent Weißwein – und davon 70 Prozent Grünen Veltliner. Kommendes Jahr wird er weitere 2,63 Hektar neu auspflanzen. „Probleme mit Hagel, Frost und Trockenheit werden die Zukunft sein. Es wird immer schwieriger, die nachgefragte Menge Jahr für Jahr garantieren zu können. Aber irgendwann kommt man an seine Grenze“, sagt der Seniorchef nach sieben Wochen Lese.
„Die Dynamik wäre jedenfalls da“, ist sich Klinger sicher. Aktuell gebe es 1600 Winzer, die mehr als 30.000 Liter pro Jahr abfüllen. Das sind 500 mehr als noch 2009.