Chronik/Niederösterreich

"Das waren Szenen wie im Winter"

Feuerwehrmänner mussten das Dach der Volksschule freischaufeln. Auf den Straßen waren Schneepflüge und Traktoren im Einsatz. Das klingt nach einer Winter-Szene, fand aber am Samstagabend nicht nur in Edlitz in Niederösterreich statt. Und es war kein Schnee, der die Feuerwehren im Wechselgebiet forderte, sondern ein bis zu 30 Zentimeter hoher Belag aus Hagelkörnern.

Samstagabend führte eine Gewitterfront in Niederösterreich, dem Burgenland, Oberösterreich und Salzburg zu Überschwemmungen, Vermurungen und Hagelschäden, vor allem in der Landwirtschaft (Artikelende).

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Entwarnung gab es nur für den Sonntag. Am Montag und am Dienstag soll erneut Starkregen niedergehen. „Ein Blick gegen Süd-Osten schadet nicht“, sagt UBIMET-Meteorologe Roland Reiter. Von dort bringt eine Strömung kräftige Schauer und stellenweise 20 bis 30 Liter Regen pro Quadratmeter. „Hagel dürfte aus heutiger Sicht aber kein Thema mehr sein.“

Den gab es am Samstag besonders in Edlitz. 15 Minuten lang prasselten Körner so groß wie Taubeneier nieder. Sie „verklebten“ die Kanaldeckel, schildert Feuerwehrkommandant Franz Bürger. Die Folge waren Überflutungen. Denn die 60 Liter, die es binnen einer Stunde pro Quadratmeter geregnet hatte, konnten nicht mehr abrinnen. Neben anderen Gebäude stand auch das Feuerwehrhaus unter Wasser. Der Hagel habe laut Bürger für „Szenen wie im Winter“ gesorgt. Autos seien stecken geblieben. „Man sieht jetzt noch Hagelkörner“, erzählte der Feuerwehrkommandant am Sonntag.

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In Niederösterreich standen bis Sonntagfrüh 500 Feuerwehrleute im Einsatz. Die B 54 und B 55 wurden vermurt. Auch im Bezirk Krems standen Keller unter Wasser. Das Bundesheer half bei den Aufräumungsarbeiten. Im Bezirk Waidhofen an der Thaya wiederum sicherten Feuerwehrmänner mit 700 Sandsäcken die Häuser.

Schneeschaufeln

Vom Hagel überrascht wurden auch die Bewohner von Ebensee in Oberösterreich. Innerhalb einer viertel Stunde war vor allem der Ortskern und die Ortschaft Kohlstatt zehn Zentimeter hoch von großen Hagelkörnern bedeckt. Das Unwetter war über den Feuerkogel gezogen.

Manche Bewohner nahmen es mit Humor, packten die Schneeschaufeln aus und machten sich in kurzen Hosen ans Werk: „Wenn da hinten nicht der Maibaum stünde, könnte man an eine romantische Winterlandschaft denken“, lautete der Tenor. Der Hagel verwüstete aber auch hier die Gärten am Fuße des Feuerkogels. Fahrzeuge konnten noch schnell genug in Sicherheit gebracht werden. Einige Besitzer trugen dabei kleinere Platzwunden und Blutergüsse davon.

Am Sonntag gingen die Aufräumarbeiten in den Gemeinden weiter. Meldungen über Sachschäden, etwa an Autos oder Dächern, lagen nur vereinzelt vor.

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Karl Handler, Gast- und Landwirt, aus Edlitz, 50, klingt zerknirscht: „Ich hab’ hundert Fotos gemacht.“ Zu sehen sind darauf sein kaputtes Dach, sein Heizraum, in dem einen halben Meter hoch das Wasser steht – und die massiven Schäden auf seinen Wiesen. 14 Hektar bewirtschaftet er. „Jetzt muss ich Futter zukaufen.“ Seine Obstbäume wurden von den Körnern entlaubt. Als die Hagelkörner niedergingen, versuchte er noch zu retten, was zu retten war. „Du bist einfach machtlos dagegen.“

Für die Hagelversicherung startete am Wochenende die „Hagelsaison“. In NÖ, der Steiermark und im Burgenland waren 1500 Hektar betroffen. Der Gesamtschaden wird mit rund 700.000 Euro beziffert. 20 Prozent der Weingärten auf dem Hotter von Horitschon, Mittelburgenland, wurden am Samstag vom Hagel zerstört, schätzt Weinbauer Franz Weninger. „Auf das gesamte Mittelburgenland gesehen ist das nicht so tragisch“, sagt der Winzer. Da er und viele seiner Kollegen zuletzt nie von Hagelschäden verschont geblieben seien, hätten in der Gegend fast alle eine Hagelversicherung abgeschlossen.