Tausche Zeit, biete Hilfe
Von Julia Schrenk
Frau Wagner ist über 80, alleinstehend, ihre beiden Hunde sind gestorben und sie leidet an Parkinson. Wenn etwa ein Blumentopf umgefallen ist, tut sie sich schwer, diesen einfach aufzuheben. Wenn das Display ihres Handys plötzlich schwarz ist, weiß sie nicht, ob der Akku leer ist oder das Handy kaputt ist. Da kommt Gisela Knofel ins Spiel. Die 59-Jährige aus Kirchstetten (Bezirk St.Pölten-Land) ist Mitglied im Verein "Zeitbank 55+". Der Verein, der 30 Mitglieder zählt, unterstützt ältere Menschen mit kleinen Hilfsarbeiten, um ihre Mobilität zu sichern. Gisela Knofel etwa hilft Frau Wagner mit dem Handy oder im Haushalt. "Sie freut sich immer, wenn ich komme. Und ich freue mich, wenn ich ihr helfen kann" sagt Knofel.
Der Wert der Zeit
Der Verein Zeitbank 55+ basiert auf der Idee des Tauschens. Die Mitglieder tauschen untereinander Talente und Zeit. Eine Stunde Rasenmähen gegen eine Stunde Computer-Nachhilfe. Eine Stunde Bügeln gegen eine Stunde Heckenschneiden. Jeder tauscht das, was er kann. Bezahlt wird mit sogenannten Zeitschecks. Die älteren Menschen, die selbst keine Leistung mehr erbringen können, können die Zeitschecks um 3,60 Euro kaufen. Dafür wird ihnen eine Stunde geholfen.
Gegründet wurde der Verein vor 2,5 Jahren im Zuge des G21-Prozesses, einer Bürgerbefragung über die Lebensqualität in den Gemeinden. "Daraus ist unser Wunsch entstanden, diesen Verein zu gründen", sagt Obmann Andreas Habermeyer. Wer Mitglied werden will, gibt an, welche Talente er tauschen kann. Das geht von Gartenarbeit über Müll entsorgen bis Kartenspielen und Gespräche führen. Mit dem Monatsbeitrag von 3 Euro wird die Unfall-, Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherung für die Vereinsmitglieder finanziert. Mit den Einnahmen aus den bezahlten Zeitschecks spendet der Verein für den Ort. Zuletzt zum Beispiel ein Wagerl, mit dem ältere Herrschaften Gießkannen über den Friedhof fahren können.
In den 2,5 Jahren seit der Gründung des Vereins haben die 30 Mitglieder 317 Stunden geholfen. Neue – auch jüngere Mitglieder – werden noch gerne aufgenommen.
Tauschkreis wurde zur Lebensmittelkooperative
Getauscht wird auch in Purkersdorf (Bezirk Wien-Umgebung). Die Mitglieder des Tauschkreises Wienerwald haben ein Ziel: Nachhalitg zu leben. Seit vier Jahren tauschen die 120 Mitglieder untereinander ihre Talente. Seit April betreiben sie auch einen Tauschladen in der Kaiser-Josef-Straße. Am Samstag hat sich der Tauschkreis außerdem zu einer Lebensmittelkooperative zusammengeschlossen. Das heißt, ab sofort beziehen die Mitglieder die Produkte ihres täglichen Lebens direkt beim Produzenten.
Im Tauschladen bieten die Mitglieder ihre Produkte an: Paradeiser, Zucchini, verschiedene Essigsorten, Aufstriche, Säfte, Kräutersalz oder Pesto. Sogar handgesponnene Wolle und handgefertigte Spiegel kann man dort erwerben. Allerdings nicht käuflich, sondern eben zum Tausch. „Für zwei Kilo Paradeiser habe ich zum Beispiel 0,4 Stunden Zeit eingetauscht“, sagt Tauschkreis-Obmann Dietmar Mayr. Einkaufen gehen die Mitglieder des Tauschkreises hier mit sogenannten Zeitwertscheinen. Derjenige, der die Produkte zum Tausch anbietet, entscheidet auch, wie viel Gegenleistung er dafür haben will.