„Stayin’ Alive“: Das Varieté feiert ein Comeback
Von Markus Foschum
„Es ist echt erstaunlich, aber es wurde sogar noch besser, als wir uns das je vorgestellt haben“, sagt Seraina Dorffner und strahlt. Vor einem Jahr haben sie und ihr Mann Marc Dorffner ein etwas altersschwaches Gebäude in der ehemaligen Papierfabrik in Klein-Neusiedl im Bezirk Bruck/Leitha zu neuem Leben erweckt. Mit einem Theater – aber mit einem besonderen. Mit dem ersten und einzigen ständig bespielten Varieté-Theater Österreichs. Als kultureller Nahversorger spielt man in der kleinen Gemeinde mit nicht einmal 1.000 Einwohnern eine große Rolle.
Angefangen hat alles mit dem Zirkus. Sowohl für Marc in Wien als auch für Seraina in der Schweiz. Beide waren schon als Kinder von der glitzernden Welt der Artisten und Attraktionen fasziniert.
So sehr, dass sie beide schließlich die staatliche Artistenschule in Berlin besuchten. Ohne voneinander zu wissen und ohne sich dort zu treffen. „Das passierte erst 2016 bei einem Zirkus in der Schweiz“, erzählt Seraina. Gemeinsam ging man auf Saison. „Wir hatten keine Wohnung, lebten im Wohnwagen“, sagt sie.
Vor allem in Europa waren sie unterwegs, aber sogar in Australien zeigten die Artisten ihre Kunststücke. Bis 2019 die Idee entstand: „Wir könnten doch auch was Eigenes machen.“ Seraina Dorffner dazu: „In Deutschland ist das Varieté verbreitet, in Österreich ist es aber weitgehend verloren gegangen. Oft wird hierzulande mit Varieté immer noch etwas Schmuddeliges in Verbindung gebracht oder man kann es nicht richtig einordnen“, sagt sie.
Das ideale Zuhause
Das wollte man ändern. Und der passende Ort dafür war durch einen Zufall bald gefunden. Die alte Papierfabrik in Klein-Neusiedl. Diese war Ende des 18. Jahrhunderts sogar die größte derartige Anlage Kontinentaleuropas, in den 1930er-Jahren wurde die Papierproduktion aber stillgelegt. Der Tipp, dass hier der richtige Platz für ein Theater sein könnte, kam von Marcs Vater, der 2020 mit seiner Schlosserei am Gelände einzogen war.
„Wir haben uns sofort verliebt“, erzählt Seraina Dorffner vom ersten Eindruck der historischen Gemäuer. Auch die Eigentümerin war von der Idee begeistert und das „Projekt Varieté-Theater“ konnte beginnen. Was leichter gesagt als getan war. 15 Container mit Bauschutt mussten abtransportiert, das Gebäude trockengelegt, ein neuer Boden verlegt werden. Dann kamen Elektrik, Heizung, Lüftung, Tribüne, Licht- und Tonanlage.
„Wir haben fast alles selbst geplant und vieles auch selbst gemacht“, sagt Dorffner. Zwei Jahre lang wurde umgebaut und „wir sind gerade noch rechtzeitig zur Premiere fertig geworden.“ Das war vor einem Jahr. „Wir konnten am Anfang natürlich nicht wissen, ob unser Konzept angenommen wird. Aber wir haben so viel Zustimmung erfahren und mittlerweile so viele Stammgäste gewonnen. Viele Leute aus der Umgebung haben uns gesagt, dass sie froh sind, für Kultur jetzt nicht mehr nach Wien fahren zu müssen“, sagt Seraina Dorffner. Dass es hier ein außergewöhnliches Theater gibt, spricht sich herum.
Auf der einen Seite wird in der Papierfabrik Platz für Shows und Kabarett (heuer etwa von Weinzettl & Rudle über Gunkl bis Dirk Stermann) geboten. Auf der anderen Seite realisieren Seraina und Marc Dorffner gemeinsam mit Choreografin Shosha Lilienthal ihre eigenen Varieté-Shows. „Das ist keine Aneinanderreihung von Artistik-Nummern, sondern wir wollen eine Geschichte erzählen, mit Artistik, Musik, Tanz, Kostümen. Wir möchten mit unseren Darbietungen das Publikum zum Staunen und Lachen bringen“, betonen sie.
Disco-Feeling
Anfang März feierte die neue Eigenproduktion „Stayin' Alive – Die Ära der Disco-Hippies“ Premiere. Die „lustige Show mit ganz viel Power“ führt zur Musik der 70er-Jahre in eine Hippie-WG. Gespielt wird diesmal erstmals fünf Wochen lang, und „der Vorverkauf läuft schon sehr gut“, freut man sich.
Wobei das kleine Team in dem kleinen Theater vieles selbst „schupfen“ muss, nicht nur auf der Bühne. „Man muss hier schon vielseitig sein“, sagt Seraina Dorffner lachend. „In der Pause schenke ich eben Getränke an der Bar aus.“ Das familiäre Flair gehört dazu. „Viele sagen, dass die Atmosphäre bei uns einzigartig ist. Das ist ein gutes Zeichen, dass wir vieles richtig gemacht haben“, freut sie sich. Und damit kommt man dem Ziel, einem Zentrum für Varieté, immer näher.