Spezialcomputer für Wachkoma-Patienten
Von Katharina Zach
Pferderennen – in schnellem Galopp sausen die kleinen Figuren über den Bildschirm. Mario fixiert sie gebannt mit den Augen, lacht. Doch leider, sein Pferd verliert und er damit 200 Euro, die er virtuell gesetzt hat.
So weit nichts Ungewöhnliches: Ein junger Mann, der Computer spielt. Doch an Mario ist nichts gewöhnlich. Der 22-Jährige aus Vösendorf, Bezirk Mödling, liegt seit einem schweren Mopedunfall am 5. Mai 2008 im Wachkoma (siehe unten). Er kämpft sich Stück für Stück ins Leben zurück. Seit er einen Spezialcomputer nutzen kann, den er mittels Augenbewegungen steuert, haben sich sein Gesundheitszustand und seine Lebensqualität stark verbessert. Das 24.000 Euro teure Gerät wurde vergangenes Jahr durch Spenden organisiert.
Wunder
Dass Mario nun im Rollstuhl sitzend bereits mit virtuellen Pferden interagiert, ist ein kleines Wunder. Die Ärzte hatten ihm nach seinem Sturz über die Motorhaube eines Autos keine Überlebenschance gegeben. "Es sind kleine Schritte, die er macht. Aber es tut sich was." Mama Silvia Santa ist die Freude anzumerken. Sie spricht schneller, ihre Stimme überschlägt sich fast. "Glück im Unglück ist, dass er bei dem Unfall noch so jung war. Da kann sich das Gehirn besser erholen." Seit sechs Jahren besuchen sie und ihre Eltern Mario täglich im Landespflegeheim Mödling. Eine Herausforderung für die Alleinerzieherin, die noch drei weitere Kinder hat. "Er ist jetzt viel aufmerksamer, schaut einem nach, wenn man aufsteht." Und tatsächlich fixiert Mario Besucher mit wachen, leuchtenden Augen, lacht und führt die Programme seines Computers vor. Manchmal hat man sogar das Gefühl, er veralbert einen. Kein Wunder, denn schon zu seiner Schulzeit war er der Klassenclown, verrät Santa.
Nun muss Mario alles neu lernen. "Es ist so super, er kann schon verschiedene Lernspiele spielen", ist Santa stolz. Auch auf Aufforderungen – etwa den Kopf zu heben – reagiert er bereits. Dank des PCs und täglicher Logo-, Ergo- und Physiotherapie. "Er ist wacher und nimmt mehr an der Umwelt teil", erklärt Marios Mama.
Das Ziel ist, dass der 22-Jährige mittels Computer wieder kommunizieren, sogar Texte verfassen kann. Das sei aber noch ein langer Weg, ist Santa realistisch. In der Zwischenzeit freut sie sich über "die kleinen Schritte, die zählen". Etwa, wenn Mario ein neues Wort ausspricht.
Seit Kurzem darf Mario zudem wieder feste Nahrung bekommen – nachdem er sechs Jahre lang ausschließlich über eine Magensonde ernährt wurde. Ungewohnt sei das für ihn, sagt seine Mama. Derzeit muss er daher noch mit Hipp-Babynahrung vorlieb nehmen. Zumindest an seinem Geschmack dürfte sich nichts geändert haben. "Sie haben ihm letztens Karotten gefüttert. Die mochte er noch nie und hat sie gleich quer durch den Raum gespuckt", lacht Santa. Sie möchte sich bei allen Menschen, die für die Anschaffung des PCs gespendet haben, von Herzen bedanken: "Wir sind damit sehr glücklich."
"Wachkoma", in der Medizin "Apallisches Syndrom" genannt, ist oft eine Folge einer schweren Hirnschädigung, etwa eines Schädel-Hirn-Traumas. Aber auch ein Schlaganfall, Herz-Kreislaufstillstand oder eine Gehirnhautentzündung können Ursache dafür sein.
Die Betroffenen wirken für den Betrachter wach, eine Interaktion mit der Umwelt ist allerdings nur sehr eingeschränkt möglich. Neue medizinische Erkenntnisse zeigen aber, dass bei manchen Wachkomapatienten sehr wohl Bewusstsein für sich und ihre Umgebung besteht, das auch sukzessive durch intensive Betreuung verbessert werden kann.
In Österreich gibt es zwischen 800 und 1000 Wachkoma-Patienten. Unter dem Begriff werden verschiedenen Schweregrade zusammengefasst. Vom Koma bis zum vollen Bewusstsein durchläuft der Patient sieben "Remissionsphasen". Diese Phasen gehen oft fließend ineinander über und können unterschiedlich lang sein. Aber nicht alle Betroffenen durchlaufen auch alle Stadien.
Die Betreuung von Wachkomapatienten reicht von palliativer Pflege bis hin zur intensiven Rehabilitation, bei Patienten, deren Zustand sich langfristig verbessern kann. Selten kommt es zu einer Gesundung der Patienten, mit nur noch leichten Einschränkungen.
Die Rehabilitation der Betroffenen sollte so früh wie möglich beginnen. Junge Menschen zwischen 19 und 30 Jahren haben deutlich bessere Chancen auf Erholung.