Chronik/Niederösterreich

Per Anhalter über den Atlantik

Es war grau, es hat geregnet und es war kalt. Am 10. November des Vorjahres stand Jakob Horvat (31) auf dem Wiener Matzleinsdorfer Platz und hielt ein Kartonschild in die Höhe. „Südamerika“ stand in Großbuchstaben darauf. Horvat hatte sich vorgenommen, per Anhalter nach Südamerika zu kommen. Vier Monate später kam er in Guadeloupe an. „Ich habe mich lebendig gefühlt, wie nie zuvor“, sagt Horvat.

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Es war im Oktober 2015, als der damals 29-Jährige mit einem Freund den Entschluss fasste, nach Südamerika zu reisen. Und zwar per Anhalter. Ohne Flugzeug, dafür mit Hilfe von Fremden. „Das erschien mir anfangs ziemlich verrückt“, erzählt Horvat.
Aber er wollte es probieren und seine Komfortzone verlassen, wie er sagt. 13 Monate lang wollte er reisen, wohin es ihn treibt. Einziges Gepäckstück: Ein 65-Liter- Rucksack, in den er außer Kleidung ein Paar Schuhe, ein Paar Flip-Flops, einen Schlafsack, eine Trinkflasche, einen eReader, seinen Laptop, ein Notizbuch und eine kleine Kompaktkamera packte.

Pause vom Nachrichtenalltag

1000 Euro hat Horvat pro Monat für seine Reise veranschlagt – dafür hat er gespart. Von seinem Job als ORF-Journalist hat er unbezahlten Urlaub genommen. Wochenlang hatte er das entscheidende Gespräch mit seinem Chef vor sich hergeschoben. „Ich mag meinen Job und wollte ihn nicht verlieren“, erzählt Horvat. „Aber ich hab’ eine Pause vom Nachrichtenalltag gebraucht.“ Ihm sei klar geworden, „dass das Leben mehr ist, als ein sicherer Job“.

Vier Stunden stand er am 10. November mit seinem Schild in Wien, bis ihn schließlich ein Student mitnahm – nach Graz. Von dort ging es weiter nach Mailand, Nizza, Marseille, Barcelona, Valencia und Lissabon, danach in den Süden Portugals und von dort nach Teneriffa. Sechs Wochen war er auf den Kanaren, bis ihn jemand auf seinem Boot über den Atlantik mitnahm. „Die ersten zehn Tage war ich damit beschäftigt, ein Boot zu suchen mit einer Crew, die mich mitnimmt“, erzählt Horvat. Der Hafen sei voll gewesen von Menschen, die den Atlantik überqueren wollten. Weil Horvat keine Segelerfahrung hatt, schrieb er Lebenslauf und Motivationsschreiben. Mit Gin Tonic im Rucksack („Segler lieben Gin Tonic“) verteilte er seine Bewerbungen an mehr als 100 Segler in der Hoffnung, guten Eindruck zu hinterlassen.

Das hat funktioniert. Am 3. Februar stach Horvat mit einem österreichischen Kapitän und vier weiteren Crew-Mitgliedern in See. „Mir ist schon sehr der Reis gegangen“, gibt der 31-Jährige zu. Er hatte sein Leben einem 13-Meter-Katamaran und der Natur anvertraut. Zehn Tage lang habe er weder ein anderes Boot, noch ein Flugzeug gesehen. Aber nach drei Wochen legte das Boot in Guadeloupe an und Jakob Horvats Mission, per Anhalter von Wien nach Amerika zu kommen, war damit vier Monate nach dem Start erfüllt. „Ich war überglücklich“, erzählt er. Vorbei ist Horvats Reise nach der Atlantik-Überquerung aber noch lange nicht.

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Von Guadeloupe ging es – diesmal nicht per Anhalter, sondern mit dem Flugzeug – nach Kolumbien, Ecuador, auf die Galapagos-Inseln und in den Amazonas-Regenwald. Vier Tage und vier Nächte lang hat er sich auf dem Rio Napo ein Frachtboot mit 40 Peruanern, ihren Hühnern, Kühen und Schweinen nach Peru geteilt.

„Travel-Blues“

Zwischendurch gab es auch Rückschläge. Der erste „Travel Blues“ erreichte den 31-Jährigen auf dem Boot „irgendwo“ zwischen Portugal und Teneriffa. „Mir ist plötzlich der Sinn der Reise verloren gegangen. Ich war seekrank und mental so weit, die Reise abzubrechen.“

Der zweite kam im Bus in Südkolumbien. „ Da war meine Laune plötzlich im Keller“, erzählt Horvat. Auch die Bootstour mit Indigenen auf dem Rio Napo sei prägend gewesen. „Ich habe mich noch nie so fremd gefühlt“, erzählt der Niederösterreicher. Man habe ihn angestarrt, als er sein Essen ohne Fleisch bestellte und seine Füße abwischte, bevor er sich in den Schlafsack legte. Am Ende habe es für ein paar sehr interessante Gespräche gereicht.

Derzeit ist Jakob Horvat in Kalifornien. Spätestens im Oktober möchte er in Asien sein. Auf seinem Blog 1000 first steps (auch auf Facebook und Twitter) berichtet er über die Menschen, die er auf seiner Reise trifft.