Chronik/Niederösterreich

Pensionist klagte sechs Gewinne ein und siegte

Es begann mit einem Wetterhahn. Einen solchen bestellte Franz Wukitsevits aus Vösendorf bei Wien zum Aufstellen in seinem Garten. Ab dem Zeitpunkt der Lieferung bombardierte das Versandhaus „Die schlanke Silhouette“ den 81-Jährigen wöchentlich mit Werbematerial und Gewinnspiel-Zuschriften.

„Ich bin ständig zum Altpapiercontainer marschiert und hab’ das weggeworfen“, erzählt der pensionierte Versicherungsmitarbeiter dem KURIER. Der Versand wurde immer lästiger, kündigte Zusendungen sogar schon telefonisch an: Herr Wukitsevits möge in den Postkasten schauen, da liege ein Gewinn für ihn drinnen.

Nun interessierte sich der Pensionist erstmals für den Inhalt der Post und begann, die Gewinne zu sammeln: Eine „Spezial-Urkunde“ sicherte ihm im Februar des vergangenen Jahres 10.350 Euro zu, im selben Monat versprach ein „Renten-Formular“ 14.400 Euro und ein „Scheck-Gewinn“ 11.380 Euro. Im März informierte ihn eine „unwiderrufliche Auszahlungsinformation“ über 9860 Euro Gewinn, im April bekam er eine „dringende Notiz“ über die „große Jackpot-Ausschüttung“ von 8750 Euro und eine „offizielle Gewinn-Bestätigung“ über garantierte 12.500 Euro. Macht zusammen 67.240 Euro.

Franz Wukitsevits forderte alle sechs Gewinne an, bekam keinen einzigen und beschritt den Rechtsweg. Seine Frau, einst Mitarbeiterin im Justizministerium, warnte: „Lass die Hände davon! Wenn dich ein Anwalt zwischen die Finger bekommt ...“ Aber genau einen solchen suchte der 81-Jährige auf.

Risiko

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Der Wiener Anwalt Gerold Beneder (Bild) hat bis jetzt rund 300 solche Gewinne erfolgreich eingeklagt und Exekutionstitel über zwei Millionen Euro erkämpft. Wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat, deckt diese in der Regel die Gerichtskosten für die Klage. Herr Wukitsevits hatte keine und riskierte es trotzdem, investierte 2800 Euro Vorschuss für Verfahrensgebühren und Anwaltshonorar – und gewann.

Das Landesgericht Wiener Neustadt verurteilte „Die schlanke Silhouette“ in erster Instanz zur Auszahlung aller sechs Gewinne, die „in geradezu hysterischem Ton“ versprochen worden waren. Das Urteil zitiert einige Beipacktexte: „Sind Sie jetzt nicht auch fassungslos? Endlich haben auch Sie einmal Glück!“

Mit dem abstrusen Einwand, Herr Wukitsevits habe durch das Sammeln der Gewinne Missbrauch betrieben und gegen die „guten Sitten“ verstoßen, blitzte das Versandhaus ab. Richter Peter Wöhrer schreibt in seinem Urteil: Wenn der Veranstalter von Gewinnspielen die Verbraucher mit erhöhter Frequenz derartiger Zusendungen belästigt, müsse er auch damit rechnen, dass sie jemand zusammenzählt.

„Ich will doch nicht für nichts den Postkasten voll haben“, sagt Wukitsevits: „Hätte ich von Anfang an alles gesammelt, wäre ich auf 200.000 Euro gekommen.“