Chronik/Niederösterreich

Paradies statt Kraftwerksbau in der Au

Im Prinzip hat sich nichts verändert", beschreibt Nationalpark-Ranger Manfred Rosenberger seinen ersten Eindruck. Gemeint ist damit die 30-jährige Zeitspanne seit der Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984.

Rosenberger war vor 30 Jahren auch einer von Tausenden Aktivisten, die damals das geplante Kraftwerksprojekt zu Fall gebracht hatten. Jetzt steht er auf einer Wiese mitten im Nationalpark, um ihn herum Weiden und Pappeln. Sogar die zwei auffälligen Eichen in der Mitte stehen noch immer.

Lediglich eine lang gezogene Mulde am Rande der Wiese erinnert an das ehemalige Zeltlager 2. "Aufgrund der eisigen Temperaturen haben wir uns damals in die Erde gegraben", erzählt Rosenberger.

Die Hartnäckigkeit der Au-Besetzer hat sich damals bezahlt gemacht. Die Kraftwerkspläne wurden gekippt, eine 16 Meter hohe Staumauer verhindert und die Aulandschaft für die kommenden Generationen erhalten.

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Mehr als 5500 Arten an Tieren und Pflanzen haben sich im Nationalpark bis heute angesiedelt. Etwa die Hälfte der heutigen Fischvorkommen wurde gerettet, viele geschützte Arten konnten sich wieder entfalten. Diese Vielfalt ist allerdings kein Zufall. Denn die Lage des Nationalparks macht ihn in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Einerseits liegt das Schutzgebiet direkt an der Grenze zwischen pannonischem und atlantischem Klima. "Die Überlappung macht den Lebensraum für viele Tiere interessant", erzählt der Nationalpark-Ranger. Der Naturstreifen ist sowohl westlichste als auch östlichste Scheide der Tier- und Pflanzenwelt und für viele Arten das größte Rückzugsgebiet.

Einzigartige Plätze

An den Ufern der Donau findet man zudem, als einzige Region neben der Wachau, noch weitläufige Schotterbänke. "Solche Plätze sind sonst kaum mehr vorhanden." Zwischen den Steinen finden zahlreiche geschützte Insekten Unterschlupf. Für den Flussregenpfeifer wurde etwa das größte Brutgebiet erhalten.

Heute ist die Hainburger Au vor allem für die Wiener ein beliebtes und gut frequentiertes Naherholungsgebiet. "Wir befinden uns nicht in einem entlegenen Gebiet, sondern direkt vor der Haustüre Wiens", sagt Nationalparkdirektor Carl Manzano. Auch wenn es grundsätzlich keine Sperrzonen gibt, versucht man dennoch die Besucherströme zu lenken, etwa mit geführten Wanderungen oder Bootsfahrten. Einige Gebiete sollen aber völlig naturbelassen bleiben.

Die großflächige Rodung der Bäume wurde vor 30 Jahren zwar verhindert, die Erhaltung des Nationalparks sorgt dennoch für genügend Arbeit. Aufgrund von eingeschleppten Pflanzen sowie einer Vielzahl an Wildtieren, wie Hirschen oder Wildschweinen, ist das ökologische System derzeit aus dem Gleichgewicht geraten. "Unser Auftrag ist es, dass sich der Park selbst erhält", sagt Rosenberger. Doch das werde noch rund 200 Jahre dauern. Die Forstarbeiter entfernen deshalb regelmäßig fremde Bäume, wie die Kanada-Pappel. Aus den Wiener Parkanlagen werden jedoch immer wieder neue, exotische Samen angespült, die sich über mehrere Jahre ansiedeln und ausbreiten.

Gefahr der Austrocknung

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Eine weitere Herausforderung ist der absinkende Grundwasserspiegel sowie die Regulierung des Flussbettes. Die Kraftwerke entlang der Donau halten mitgezogenen Kies und Schotter zurück. Der Boden gräbt sich daher pro Jahr um einen Zentimeter weiter nach unten. Seit der Besetzung ist der Donau-Untergrund bis zu 60 Zentimeter abgetragen worden. Als Folge bleiben die regelmäßigen Überschwemmungen in den Auen aus. Wenn man nicht gegensteuert, "wird man in 20 Jahren bereits die ersten Auswirkungen sehen", ist Rosenberger überzeugt. Denn für den Eisvogel oder die Uferschwalbe sind die Sumpflandschaften lebensnotwendig.

Zuletzt wurden mehrere Projekte gestartet, um die weitere Eintiefung der Donau zu verhindern. Bisher blieben diese aber ohne den erhofften Erfolg. "Jeder gravierende Eingriff würde hingegen neue Auswirkungen für die Natur bedeuten", warnt der Nationalpark-Ranger.

Mit einem spontanen Sternmarsch der österreichischen Hochschülerschaft begann vor 30 Jahren die Besetzung der Hainburger Au. Aus sechs Richtungen kamen die Studierenden am 8.Dezember 1984 nach Stopfenreuth, Bezirk Gänserndorf. "Wir wussten, das ist unsere letzte Chance", sagt der ehemalige Aktivist und heutige Nationalpark-Ranger Manfred Rosenberger. Denn zwei Tage später sollten die Bagger anrollen und den Wald roden.

Denn mitten in die Au sollte ein Wasserkraftwerk gebaut werden. Um das nötige Gefälle zu erreichen, wollte man eine 16 Meter hohe Staumauer errichten. Der Verlauf der Donau wäre dafür künstlich zweieinhalb Kilometer umgelenkt worden.

Mit dem Sternmarsch war die Aktion jedoch nicht beendet. Mehrere Hundert Aktivisten blieben in der Au und errichteten Zeltlager. Auf den drei Zufahrten wurden zudem Holz-Barrikaden errichtet. Nachdem die Au zum Sperrgebiet erklärt wurde, kam es am 19. Dezember zu einem umstrittenen Polizeieinsatz. Bei den Zusammenstößen zwischen 800 Gendarmerie- und Polizeibeamten und etwa 3000 Au-Besetzern wurden aufseiten der Umweltschützer 19 Personen verletzt. In Wien demonstrierten daraufhin rund 40.000 Menschen gegen das Vorgehen der Regierung und gegen den Kraftwerksbau.

Kurz vor Weihnachten verhängte die Bundesregierung einen Rodungsstopp. Bundeskanzler Fred Sinowatz verkündete einen Weihnachtsfrieden. Dennoch verbrachten Tausende Kraftwerksgegner die folgenden Feiertage in der Au. Als das Höchstgericht Anfang Jänner 1985 weitere Rodungen bis zum Abschluss des laufenden Beschwerdeverfahrens verbot, wurde die Besetzung beendet. Zwei Monate später wurde ein Volksbegehren durchgeführt, bei dem sich rund 350.000 gegen den Bau aussprachen. Das Projekt war somit Geschichte. Für die Grünen war es hingegen die Geburtsstunde.