Opfer schreibt sich den Schmerz von der Seele
Von Jürgen Zahrl
Überwucherte Hausruinen, umgeben von mächtigen Bäumen. Dazwischen eine gotische, ehemalige Pfarrkirche ohne Turmdach. Mitten am Vormittag zeigt die Kirchenuhr zwei Uhr an. Die Zeit ist in Döllersheim am Truppenübungsplatz Allentsteig stehen geblieben.
Wo einst mehr als 2000 Menschen lebten, trifft man keinen mehr, weil sie vor 75 Jahren vertrieben wurden, um für Hitlers militärisches Übungsgelände Platz zu machen. Wie traumatisch die Erlebnisse waren, erzählt die 87-jährige Waldviertlerin Maria Geisberger in ihrem Buch "Das Nordlicht von Döllersheim" (Edition Innsalz, 320 Seiten, 20 Euro), das sie mit Autorin Ilse Krumpöck verfasst hat.
Apfelbäume
Der Schock saß tief. "Die ganze Klasse wusste ohnehin schon, dass wir wegziehen. Ich reichte jedem Mitschüler die Hand und bedankte mich beim Lehrer für den Unterricht. Geschrieben ist das jetzt leichter, als es damals in Wirklichkeit war", erzählt die 87-Jährige. Heute lebt sie in Friedersbach bei Zwettl.
Ungerechtigkeit
Dass die Grundstücke nicht zurückgegeben wurden, bezeichnet Krumpöck als völkerrechtswidrige Ungleichbehandlung: "Dieses schreiende Unrecht muss Österreich an den Nachfahren wiedergutmachen", fordert sie. Die Bundesregierung stellte 1957 fest, dass Enteignungen zu militärischen Zwecken keine typisch nationalsozialistische Erwerbsart ist und daher nicht als Entziehung zu werten sei. Lediglich die vom Land Niederösterreich verwaltete Windhag’sche Stipendienstiftung und das Stift Zwettl bekamen Flächen zurück.