Chronik/Niederösterreich

Nach Tod des Vaters "abgespeist"

Es war ein fataler Fehler, der zwei Menschen das Leben kostete: Am 28. März 2013 erlaubte Fahrdienstleiter Andreas R. einem Zug die Fahrt über ein Gleis im niederösterreichischen Obereggendorf, auf dem gerade ÖBB-Arbeiter beschäftigt waren. Es kam zum Crash.

Thomas und Michael Lang, heute 24 und 20 Jahre alt, haben bei dem Unfall ihren Vater Andreas Heinschink verloren. Und werfen den ÖBB vor, danach "abgespeist" worden zu sein. "Obwohl gesagt wurde, dass wir uns keine Sorgen um Kosten machen müssten", erklärt Michael Lang.

5000 Euro wurden den Brüdern überwiesen. "Unpräjudiziell" wie es in einem Schreiben der ÖBB heißt. Auf das Geld besteht nämlich kein Anspruch – schließlich werden die "Todesfallkosten" ohnehin von der Unfallversicherung gedeckt. Das Geld fürs Begräbnis muss als "Sowieso-Kosten" nicht ersetzt werden – schließlich wäre Heinschink auch so gestorben. Irgendwann.

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Über 4700 Euro mussten die jungen Männer allein für den Bestatter zahlen. Weitere Kosten entstanden ihnen durch die Beteiligung am Strafverfahren gegen R., der im Sommer zu sechs Monaten bedingt verurteilt worden war – Michael und Thomas Lang wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Ihr Anwalt Stefan Traxler sieht die ÖBB moralisch in der Pflicht: "Der Vater hat 30 Jahre für sie gearbeitet und ist bei einem Unfall im Dienst gestorben, der von einem ÖBB-Mitarbeiter verursacht worden ist." Er fordert symbolischen Schadenersatz für die finanzielle Belastungen – und Schmerzengeld für den Schock. Für Stefan Urmann aus der ÖBB-Rechtsabteilung unverständlich: "Schmerzensgeld-Forderungen ist in Österreich ein sehr enger Rahmen gesetzt. Im besonderen Maße gilt dies für Schockschäden." Für Traxler kein Grund, "in einem eklatanten Fall wie diesem" nicht eine Ausnahme zu machen.

Die Brüder rechnen nicht mehr damit, dass sie noch etwas bekommen. "Wir wollten aber die Geschichte erzählen. Vielleicht hat ja in der Zukunft jemand was davon", meint Michael Lang. Klagen wollen sie nicht – vor allem nicht Andreas R. Der sei "genug gestraft."

Bei der ÖBB schießt man sich indes auf Anwalt Traxler ein. Er habe wissen müssen, dass die Beteiligung am Strafverfahren nichts bringt. Letztlich seien dadurch nur weitere Kosten entstanden. Traxler sieht das ganz anders: "Die 5000 Euro wurden erst am Ende des Strafverfahrens bezahlt. Hätten wir uns nicht beteiligt, hätten die beiden wohl gar nichts gesehen."

130.000 Euro Schaden, ein entgleister Regionalzug und wie durch ein Wunder keine Verletzten. Das ist die Bilanz einer verlorenen Railjet-Tür im Februar 2013. Der nun veröffentlichte Abschlussbericht des Verkehrsministeriums sieht eine Kette von Pannen. Liest man das 44-seitige Papier genau, dann ist es wohl eher dem Zufall zu verdanken, dass nicht noch weit mehr passiert ist.

Ursache war ein defekter Waggon, der zwei Tage (ohne Fahrgäste) kreuz und quer durch Österreich geschleppt wurde. Am 21. Februar wurde er mit dem Railjet nach Wien gebracht. Da die Stromzufuhr abgeschaltet wurde, konnte sich ein Unbekannter (in St. Pölten?) von außen an der Tür zu schaffen machen. Der Railjet raste anschließend mit bis zu 230 km/h durch die Tunnelkette auf der Neubaustrecke in NÖ – vermutlich mit der offenen Türe. Glücklicherweise kam dem Zug kein anderer im Tunnel entgegen.

Bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Hütteldorf fiel die einen Meter vom Waggon wegstehende Tür einem Fahrdienstleiter auf. Dieser meldete den Vorfall, doch der Zug wurde nicht gestoppt. Laut ÖBB, weil eine offene Türe in einem Waggon ohne Fahrgäste kein Grund sei, einen Zug zu stoppen. Wenige Minuten später wurde die Waggontür durch einen Signalkasten weggerissen. In Penzing übersah ein ÖBB-Mann die nun fehlende Tür; der Schaden fiel erst beim Westbahnhof auf.

15 Minuten später prallte ein Regionalzug gegen die Tür, zehn Insassen blieben zum Glück unverletzt. Der Bericht gibt gleich acht Sicherheitsempfehlungen, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden. Die ÖBB prüft.