NÖ: Jagdkommando-Soldat in Kaserne von zwei Hunden getötet
Von Patrick Wammerl
Ein tragischer Unfall hat sich in der Nacht auf Donnerstag in der Flugfeld-Kaserne des Jagdkommando in Wiener Neustadt ereignet. Ein 31-jähriger Unteroffizier und Hundeführer des Bundesheeres soll von zwei Heeresdiensthunden angefallen worden sein. Der schwer verletzte Soldat wurde gegen zwei Uhr morgens regungslos am Kasernenareal entdeckt.
Obwohl der Notarzt rasch vor Ort war, kam für den Hundeführer jede Hilfe zu spät. Er hatte massive Bisswunden erlitten. Der Sprecher des österreichischen Bundesheeres, Oberst Michael Bauer, bestätigt das Unglück gegenüber dem KURIER. "Es ist ein sehr schmerzlicher Zwischenfall. Wir trauern um einen Kameraden."
Ein Großteil der Jagdkommando-Soldaten befand sich am Mittwoch außerhalb der Kaserne auf einer Übung. "Der Oberwachtmeister aus Niederösterreich hatte deshalb die Aufgabe, sich um die Diensthunde zu kümmern, sie zu füttern und sie im Freien laufen zu lassen. Seinen eigenen Diensthund hatte er in einem Auto verwahrt", erklärt Bauer.
Belgische Schäferhunde
Im Zuge der Beschäftigung mit den beiden Belgischen Malinois-Schäferhunden haben die Tiere den 31-Jährigen zwischen 16 und 01.45 Uhr angegriffen und getötet.
Der diensthabende Offizier hatte zwei freilaufende Hunde gesehen und einen Hundeführer alarmiert, der die Tiere wieder versperrte. Bei einer Kontrolle entdeckte der Hundeführer den tödlich verletzten Unteroffizier vor dem Zwinger. Der 31-Jährige war gegen 16.00 Uhr zur Anlage aufgebrochen, um die fünf Hunde in der Kaserne zu betreuen.
"Die Sache ist noch unerklärlich. Jeder Diensthundeführer des Jagdkommando ist auch in der Lage, sich um einen anderen Hund zu kümmern. Was genau vorgefallen ist, werden wir mit der Polizei und unserer eigenen Untersuchungskommission klären", sagt Bauer. Auch die Tatortspezialisten des nö. Landeskriminalamtes sind zur Spurensicherung vor Ort.
Der 31-jährige Oberwachtmeister galt als sehr erfahren im Umgang mit den Tieren. Er war seit zwei Jahren Hundeführer beim Jagdkommando, erklärt Bauer. Die Belgischen Malinois-Schäferhunde werden wegen ihrer Schnelligkeit, Kraft und antrainierbarer Angriffslust von der Polizei, Spezialeinheiten oder dem Zoll eingesetzt.
Hunde für Spezialeinsätze
Seit den Terroranschlägen in Amerika trainiert auch das Österreichische Bundesheer Hunde für Spezialeinsätze. Voll ausgebildet sind die Vierbeiner vielseitig einsetzbar. Sie stöbern versteckte Waffen oder Sprengstoff auf und helfen bei der Suche nach Personen. Im Notfall sind sie auch in der Lage, Geiseln aus der Hand von Kriminellen zu befreien.
Für derart schwierige Aufgaben rekrutiert das Jagdkommando ausschließlich besonders wesensfeste Schäferhunde, die ohne Probleme in ein Team integriert werden können. Bevor die Tiere für ihre heiklen Aufträge bereit sind, durchlaufen sie gemeinsam mit ihren Führern eine halbjährige Grundschule und viele Monate an Fort- und Weiterbildung, heißt es von Seiten des Bundesheeres.
Beim Heer sind derzeit 70 Militärhunde im Einsatz. Davon sind 41 Rottweiler, 15 Belgische und fünf Deutsche Schäferhunde sowie neu Labradore. Die Ausbildung findet im Militärhundezentrum in Kaisersteinbruch statt.
Belgische Schäferhunde wurden zunächst als Hüte- und Treibhunde gezüchtet, sind heute aber oft als „Schutzhunde“ für Polizei und Militär im Einsatz. So hat laut US-Angaben der Malinois „Conan“ den ehemaligen IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi verfolgt und in den Tod getrieben. Sie sind auch beliebte Rettungs-, Drogen- und Sprengstoffspürhunde, Familienhunde und im Hundesport erfolgreich.
Vom Charakter, dem Körperbau und der Verwendung her sind sie den allseits bekannten Deutschen Schäferhunden sehr ähnlich, in der Regel sind sie jedoch drahtiger und somit schneller und wendiger. Ihre Intelligenz, Lern- und Arbeitsfreude sind sehr hoch, was sie einerseits zu Höchstleistungen treibt, aber auch große Anforderungen an Besitzer und Ausbildende stellt. Die Rasse wird oft als „für unerfahrene Hundehalter nur bedingt empfehlenswert“ bezeichnet. Diese Hunde brauchen viel Bewegung und Beschäftigung. Sie werden als „sensible Begleiter“ beschrieben, die einfühlsam, mit liebevoller Konsequenz und ohne Härte erzogen werden sollten.
Charakterlich reicht die Bandbreite von „ängstlich und scheu“ (und daher teils angstaggressiv) über „gut sozialisiert, ausgeglichen und menschenfreundlich“ bis schlicht „aggressiv“. Im offiziellen Rassestandard wird aggressives Verhalten als unerwünscht beschrieben, mit Exemplaren, die solches zeigen, darf theoretisch deshalb nicht gezüchtet werden. In der Praxis ist diese Eigenschaft aber vor allem in gezielten Schutzhundezuchten verbreitet. Sie sind in keiner „Rasseliste“ als gefährliche Hunde aufgeführt.
Ein Tier wie die vom Bundesheer als Zugriffshunde gehaltenen Malinois „trifft man nicht auf der Straße. Das sind eigens gezüchtete und speziell ausgebildete Hunde“, sagte Gerald Pötz vom Österreichischen Hundehalterverband (ÖHV) auf APA-Anfrage. Der Besitz derart trainierter Tiere sei Privatpersonen untersagt.
Solche Hunde für den Polizei- und Militärdienst würden zudem aus eigenen Zuchtstätten stammen. Die Zucht erfolge „selektiert auf bestimmte Eigenschaften“ wie Belastbarkeit, Nerven- und Triebstärke, erläuterte Pötz. Letzteres meint etwa einen ausgeprägten Spieltrieb, denn die Ausbildung erfolge spielerisch, gut motivierbare Hunde werden bevorzugt.
Aggressivität sei hingegen „kein Merkmal, auf das gezüchtet wird“, betonte der ÖHV-Sprecher. „Ein bestimmtes Maß an Aggression ist für jedes Tier eine überlebenswichtige Eigenschaft, Aggression ist aber kein Merkmal, das angeboren ist. Aggressionsbereitschaft kann ein Hund in der Ausbildung lernen. 'Den aggressiven Hund', der so geboren wurde, gibt es aber nicht.“ Die Hundeführer des Bundesheeres wiederum wüssten genau, „wie man mit den Tieren umgeht“. Umso unerklärlicher sei der Unglücksfall, der einen 31-jährigen Jagdkommando-Soldaten in Wiener Neustadt das Leben gekostet hat.
Unvorhergesehenes
„Das ist reine Spekulation: Ich kann mir etwa vorstellen, dass etwas Unvorhergesehenes vorgefallen ist, zum Beispiel der Soldat ist vielleicht gestolpert und bewusstlos liegen geblieben, oder er ist einem der Tiere versehentlich auf die Pfote getreten und der Hund hat darauf reagiert“, mutmaßte Pötz. Dass der zweite, noch sehr junge Hund maßgeblich an der Attacke beteiligt gewesen sei könnte, hält er für unwahrscheinlich.
Was bei Bissvorfällen meist gar nicht untersucht werde, aber in der „Problemhundetherapie“ ein wichtiger erster Schritt sei, ist die Abklärung, ob der betreffende Hund ein Gesundheitsproblem hat. „Das Tier kann einen Gehirntumor haben und dann grundlos angreifen. Es kann auch durch ein Problem wie einen eitrigen Zahn irritiert sein, und das entlädt sich dann plötzlich“, meinte Pötz.
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