Oberranna: „Die Ritterburg hat uns ausgesucht“
Von Jürgen Zahrl
„Was sagst’, jetzt haben wir eine Burg.“ An diesen Satz kann sich Lydia Nemetz, 65, aus Baden noch ganz genau erinnern. Formuliert hat ihn ihr Mann Roland – ein Architekt –, nachdem er den Kaufvertrag für die Burg Oberranna in Mühldorf in der Wachau unterschrieben hatte. Das war vor 38 Jahren. Freuen konnte sie sich darüber am Anfang noch nicht. „Man hat natürlich schlaflose Nächte, ob das alles finanziell machbar ist. Reich sind wir nicht“, sagt die frühere Hotelchefin. „Wir haben nie eine Burg gesucht. Die Burg hat uns ausgesucht“, erzählt Nemetz, während sie durch das liebevoll restaurierte Baujuwel führt.
Als ihr Mann – gleichzeitig ein Experte für Denkmalpflege – in der Wachau dienstlich unterwegs war, erhielt er 1980 von der Vorbesitzerin, die jahrelang alleine in der Burg lebte, ein Kaufangebot. „Nach der Besichtigung wollte unsere Tochter Barbara nicht mehr weg. Das war ein Zeichen“, erinnert sich Lydia. Nur wenige Monate später war man sich über den Preis einig. Obwohl ihr größter Wunsch immer eine Badehütte am See war, darf Frau Nemetz seit knapp 40 Jahren jenen Traum leben, den viele Mädchen oft formulieren – einmal „Prinzessin“ sein in der eigenen Ritterburg.
Strahlkraft
Doch so zauberhaft, wie das alles klingt, war es in den ersten Jahren nicht. „Wir hatten viel Arbeit, um die Burg so zu restaurieren, dass sie jetzt strahlt“, sagt die Hausherrin. Containerweise Abfall und Bauschutt mussten beseitigt werden. Innerhalb von rund zwei Jahren sind alle 35 Räume auf einer Gesamtfläche von ungefähr 1400 Quadratmetern behutsam restauriert worden. Das romantisch wirkende Baujuwel ist von Burgmauern und Ringgraben umgeben. Unter der Wehrkirche befindet sich eine beeindruckende Krypta, die während der Suche nach einem Platz für eine Sauna freigelegt wurde. Heute befinden sich in dem Gebäude zwölf stilvoll eingerichtete Zimmer und Appartements.
War die Burg im 11. Jahrhundert als Festung zur Überwachung des Griesteigs (von Hinterhaus in Spitz an der Donau nach Fohraberg) gebaut worden, beherbergt sie jetzt ein Vier-Stern-Hotel, das derzeit allerdings geschlossen ist. Nach ungefähr 35 Jahren als Betreiberin sei Lydia gesundheitlich an ihre Grenzen gestoßen. „Ein weiteres Problem war die Mitarbeitersuche“, sagt Nemetz. Sie erinnert sich aber gerne an schöne Stunden mit ihren Gästen zurück. „Viele haben uns erzählt, dass wir hier einen positiven Kraftplatz haben“, erzählt die Hausherrin. Ähnliche Erfahrung hat sie selber gemacht. „Hier gibt’s lauter gute Geister“, meint sie.
Verkauf
Wie groß die Herausforderung ist, wenn man eine eigene Burg besitzt, versucht sie zu erklären. „Bei einem alten Gebäude wird man mit dem Restaurieren nie fertig. Laufend müssen in den Zimmern, beim Kanal oder bei den Elektroinstallationen Dinge erneuert werden“, erzählt Lydia und meint: „Trotzdem lieben wir unsere Burg“.
Dass der historische Bau vor einem Jahr um fünf Millionen Euro über ein Internet-Portal zum Verkauf angeboten wurde, hatte nur einen bestimmten Grund. „Eigentlich hätte mein Sohn den Betrieb weiterführen sollen. Aber er hat jetzt das Hotel in Baden übernommen“, sagt Nemetz. Und alleine wolle sie die geschichtsträchtige Ritterburg nicht lassen. Weil sich bisher leider kein Käufer fand, ist die Familie weiterhin auf der Suche nach neuen Konzepten oder Ideen, um die Burg wieder mit mehr Leben zu erfüllen. „Vielleicht will ja ein Paar seinen Traum leben. Oder wir vermieten die Zimmer ohne Bewirtung. Alles ist möglich“, sagt Nemetz. www.burg-oberranna.at