Chronik/Niederösterreich

Turbokühe sind keine Automaten

Wenn im Stall des Mostviertler Landwirts Wolfgang Eder die 35 freilaufenden Kühe zur Fütterung drängen, stechen Akira und Alegra sogar dem Laien ins Auge. Vor den zwei Mahlzeiten in der Früh und am Abend sind die Euter der beiden Kühe am auffälligsten gefüllt. Und am kurzen Weg zum Melkstand möchte man meinen, die mächtigen rosa Milchdepots drohen zu platzen.

Bezeichnet man die neuneinhalb Jahre alte Akira als "Turbokuh", lächelt Eder nachsichtig. Dass Akira mit einer Jahresmilchleistung von rund 13.000 Liter Milch eine seiner Top-Produzentinnen ist, vermerkt er aber nicht ohne Stolz. Der Schnitt seiner Kuhherde liegt bei 9800 Liter, was deutlich über dem Österreichschnitt von rund 7000 Liter liegt.

Warum Akira oder die ähnlich starke Alegra so aus der Masse seiner Tiere stechen, kann Eder nicht genau sagen. Akiras gute Gene nutzt er für den Betrieb und integriert ihre Kälber in seine Milchbrigade. Sieben Kälber brachte die Mutterkuh schon zur Welt. Dazu lieferte sie ihrem Besitzer bisher die beachtliche Menge von 66.377 Liter Milch, wie der 12-jährige Tobias Eder auf Abruf zu berichten weiß.

Wie alle 31.500 Milchbauern in Österreich will sich auch Eder auf dem seit 1. April neu geregelten Milchmarkt bestmöglich verkaufen. Weil die Quotenbeschränkung gefallen ist, darf so viel Milch wie vorhanden abgeliefert werden. In seinen Stall hat er erst vor Kurzem mit einem Neubau samt Fütterungsroboter und modernem Melkstand kräftig investiert. Eder hat noch Kapazität, seinen Kuhbestand um zehn Prozent aufzustocken.

Milchsee

Dass jetzt Österreichs Bauern den Milchhahn voll aufdrehen und den Markt überschwemmen, glaubt der Landwirt nicht. Die Rahmenbedingungen sprechen dagegen. "Positiv ist, dass man jetzt keine teuren Kontingente mehr zukaufen muss, wenn man mehr produzieren will. Schlecht ist, dass die Produktionskosten bei uns innerhalb der EU zu den höchsten gehören. Dazu haben wir die strengsten Vorschriften punkto Tierschutz, Hygiene oder Gentechnik-Freiheit", beklagt Eder.

Viele große Betriebe werden nun versuchen, ihre Milchproduktion anzukurbeln. Durch die gesetzliche Beschränkung, dass für rund 170 Kilo Stickstoff in der ausgebrachten Gülle (entspricht zwei Kühen) ein Hektar Grund vorhanden sein muss, sollte ein Mega-Milchsee mangels Grundfläche aber nicht möglich sein. Momentan bekommt Eder zwischen 34 und 35 Cent pro Liter, bei Produktionskosten, die nahe bei 30 Cent liegen. Voraussetzungen, die für Kleinbetriebe extrem sind, meint er.

Draußen im Melkstand bleibt nach 15 Minuten die Digitalanzeige hinter Akira auf 23,8 Liter stehen. Wieder ein Match gegen Alegra (knapp über 23 Liter) gewonnen. Danach liefern sich die Kühe einen Sprint zum Futterstand. Turbokühe brauchen auch mehr Futter als andere.

"Für einen Liter Milch, müssen 500 Liter Blut durch das Herz der Kuh gepumpt werden. So ein Tier ist ein Kraftwerk und sein Wohlbefinden sichert meine Existenz", sagt der Bauer.

Genau rechnen dürfen wir nicht mehr. Das alles ist viel Arbeit, aber nicht mehr als ein Hobby.“ Die Aufhebung der Milchquote hat sich für die Bäuerin Rosemarie Poxhofer in Niederaigen in Niederösterreich gleich mit einer Milchpreis-Senkung bemerkbar gemacht.

Mit rund 6500 Liter Jahresleistung bringt Elly, eine der acht Milchkühe im Stall von Bäuerin Poxhofer, nur rund die Hälfte vieler Superkühe in modernen Ställen.
Im vor zehn Jahren umgebauten Kuhstall verbringt die Landwirtin mindestens vier bis fünf Stunden pro Tag. Ehemann Gottfried ist im Vollerwerb in einem Amstettener Industriebetrieb tätig. Urlaube und Freizeit opfert auch er zur Gänze, um den Sechs-Hektar-Betrieb zu bewirtschaften.

Auf die Politik und die EU ist das Ehepaar, Mitte 50, nicht gut zu sprechen. Den Hof samt der Milchkühe will man dennoch weiterführen, „so lange es eben geht“. Größere Betriebe könnten jetzt mit dem Fall der Milchquote besser wirtschaften, glaubt Gottfried Poxhofer. Mehrfach sei er von anderen Bauern schon gefragt worden, ob er Grundstücke zu verpachten habe.