Mehr Senioren als Kinder: Wie Mödling wieder jung werden will
Von Katharina Zach
Vier Hörgeräteakustiker und acht Optiker zeigt Google für die Mödlinger Innenstadt an. Böse Zungen behaupten, dass deren hohe Anzahl das Alter der Bevölkerung widerspiegele. Sie könnten richtiger liegen, als gedacht.
Seniorenstadt?
In Mödling haben Stadtplaner erstmals die demografische Entwicklung der Bevölkerung untersucht. Das Ergebnis hat die Verantwortlichen in Alarmbereitschaft versetzt: Der Anteil der Über-65-Jährigen hat seit 2001 um 33 Prozent zugenommen, jener der Hochbetagten über 80 Jahre um 11 Prozent.
Gleichzeitig ist der Anteil der Kinder bis 14 Jahre um 11,5 Prozent zurückgegangen. „Hier sollte man bei der Stadtentwicklung tunlichst reagieren“, warnt Raumplaner Josef Hameter.
Zukunftsfit
Das ist nun die Mission des zuständigen Stadtrats Rainer Praschak (Grüne). Die aktuelle Bausperre soll genutzt werden, um Mödling zukunftsfit zu machen.
Das Problem sei vielschichtig, erklärt Praschak. Einerseits sei Wohnraum gerade für jüngere Familien nicht mehr leistbar. Frei finanzierte Wohnungen würden von einer älteren Klientel gekauft. Dazu kommt, dass für Junge attraktive Angebote fehlen.
„Jugendliche tun sich ein bisserl schwer, in Mödling einen Platz zu finden“, meint er. Doch nur wenn man sich mit seinem Heimatort identifiziere, wolle man in diesem später mit seiner Familie wohnen. Seien in den 80er-, 90er-Jahren junge Leute nach dem Studium wieder nach Mödling gezogen, gebe es diesen Trend kaum mehr.
Schwerwiegende Folgen
Dass die dafür notwendigen Veränderungen nicht allen gefallen, ist dem Stadtrat klar. Die Menschen würden wollen, dass der Status quo erhalten bleibt. Zuzug sei unerwünscht, egal ob Migranten oder Wiener. Doch um eine „gesunde Stadtstruktur“ – wie es Hameter nennt – zu erhalten, müsse jetzt gehandelt werden.
Volksschulklassen müssten schließen
Ansonsten könnten Angebote der Stadt nicht erhalten werden, würden sich soziale und gesellschaftliche Strukturen ändern. Kindergartengruppen, Volksschulklassen oder das Stadtbad müssten schließen, Arbeitsplätze gingen verloren, so die Experten. „Wir brauchen Veränderung, damit Mödling bleibt, wie es ist“, sagt Praschak. So ergeben sich zwei Handlungsfelder.
1. Wohnen
In der Stadt soll geförderter Wohnbau und die Errichtung von Mietwohnungen forciert werden. Es sollen kleinere Einheiten entstehen, die speziell für Junges Wohnen reserviert sind. Ein Beispiel ist das Projekt in der Josef-Schleussner- Straße, wo mittels Baurechtsvertrag gebaut wird.
Auf dem 10.000 großen Grund sind 55 Wohnungen ab 45 geplant, ein Drittel speziell gefördert für Junge. 7.000 des Areals werden übrigens als Park gestaltet.
Mehr Wohnraum
Zudem könnte entlang von Mobilitätsachsen oder im Bahnhofsviertel – sofern gestaltungstechnisch möglich – „nachverdichtet“ werden, also etwa statt eingeschossiger Winzerhäuser Mehrparteienhäuser entstehen. Dazu wurde bereits begonnen, die Areale als Bauland-Kerngebiet festzulegen.
Derart zu wohnen sei auch ressourcenschonender, gibt Praschak zu bedenken. Auch die Entwicklung des Leiner-Areals biete Chancen für Junge.
2. Angebot
„In den vergangenen 15 bis 20 Jahren ist das Angebot für Junge zurückgegangen“, meint Praschak. Das hänge aber nicht nur mit der Gastronomie zusammen, die zuletzt in den Fokus geraten war.
Das Verständnis dafür, dass Jugendliche Lärm machen, sei gesunken, attestiert der Stadtrat. So gab es massive Beschwerden von Anrainern, die neben das Jugendzentrum gezogen waren. Bei der Park-Planung im Zuge des Projekts in der Josef-Schleussner-Straße sollen etwa extra Rückzugsorte mitbedacht werden.
Andere Bedürfnisse
Dazu kommt, dass sich die Bedürfnisse der Jugendlichen verändert haben. Wien ist nicht mehr so weit entfernt. Und das Bildungsbürgertum hat in Mödling Einzug gehalten. Der Anteil der Uni-Absolventen hat um 14 Prozent zugenommen. Das lasse einen Vergleich mit den Wiener „Bobo-Bezirken“ 6, 7 und 16. zu, meint Raumplaner Hameter.
Den Jungen zuhören
Es brauche also ein passenderes Kulturangebot. Auch der Branchenmix bei den Geschäften werde eine Herausforderung, ist Praschak überzeugt. „Man muss genau zuhören, was sich Jugendliche von ihrer Heimatstadt erwarten.“