Materialschlacht gegen Frostschäden
Dichte Rauchwolken und Brandgeruch lagen Dienstagfrüh über Kamp- und Kremstal sowie Wachau und Wagram entlang der Donau. Gleichzeitig knatterten zahlreiche Hubschrauber im Tiefflug über den Boden. Was wirkte, wie eine groß angelegte Übung des Bundesheeres, war der verbissene Kampf hunderter Winzer gegen Frostschäden an Weinstöcken. Die Aktion wird wahrscheinlich fortgesetzt, denn die Wettervorschau kündigt weitere eisige Nächte an.
Klare Nächte mit Temperaturen um den Gefrierpunkt bringen derzeit Landwirte auch in vielen Teilen Niederösterreichs zur Verzweiflung. Denn: Wenn gefrorene Pflanzentriebe von der Morgensonne zu schnell aufgeheizt werden, platzen die Zellen; Triebe und junge Blätter sterben ab. Eine Strategie dagegen ist, viel Rauch zu erzeugen, damit die Pflanzen nicht direkt von der Sonne bestrahlt werden. Dauert das Erwärmen länger, können Triebe den Prozess überstehen.
Eine andere Methode: die kalten Luftschichten am Boden mit wärmeren vermischen. Das besorgte ein Dutzend Hubschrauber mit ihren Rotoren.
Strohballen
"Wir waren ab drei Uhr früh in den Weingärten und haben Strohballen angezündet", erzählt Erich Kroneder, Weinbau-Obmann aus Langenlois, Bezirk Krems, der gemeinsam mit Kollegen die Aktion organisierte. Feuerwehr und Polizei waren informiert, um bei Anfragen beruhigen zu können. Obwohl das Verbrennen biogenen Materials verboten ist, drohen keine Konsequenzen. Seit 2015 enthält das Gesetz für diesen Zweck eine Ausnahme.
Auch einzelne Marillenbauern sind betroffen: "Ich habe die ganze Nacht ein Heizgerät eingesetzt, aber gegen die Extremsituation war ich machtlos", seufzt Franz Reisinger, Obmann der Wachauer Marillenbauern. Eine andere Methode, die Marillen nicht vertragen, rettet Apfel- und Birnplantagen im Großraum Krems: Frostschutzberegnung. Bäume werden mit Wasser besprüht, die entstehende Eisschicht isoliert gegen noch größere Kälte.
Erste Frostschäden melden auch Spargelbauern im Marchfeld.
Vorschau
Die Situation ist jedenfalls noch nicht ausgestanden: Ubimet-Meteorologe Josef Lukas warnt die Winzer in Niederösterreich und Burgenland vor den nächsten, sternenklaren Nächten. Wettermodelle zeigen, dass die Schneefallgrenze auf zirka 600 Meter Seehöhe sinkt. "Gefährlich wird die Nacht auf Donnerstag. Von der Wachau über das Weinviertel bis ins Nordburgenland sind bis zu minus zwei Grad Celsius möglich", sagt der Experte. Vor allem Kesselregionen seien von frostigen Temperaturen betroffen. In der Nacht auf Freitag seien Null Grad das Minimum.
Steiermark
Minus vier Grad waren zu viel. Oder vielmehr zu wenig für die noch zarten Früchtchen, die sich nach dem Abblühen auf den Ästen der Apfelbäume gebildet haben: „Ich rechne mit 70 bis 80 Prozent Ausfall“, schätzt Josef Singer, Obstbauer aus der Oststeiermark. „Das werden dann für meinen Betrieb sicher so an die 100.000 Euro Schaden sein.“ Laut Landwirtschaftskammer traf der Frost in der Nacht auf Dienstag die Steiermark fast flächendeckend. Bei Äpfel, Marillen, Birnen, Kirschen und Zwetschken seien „massive Schäden“ zu befürchten.
Kaum ein Apfelbauer, der nicht über Schäden klagte. Das hat für die Produktion bundesweit Folgen: Auf 7908 Hektar werden in Österreich Äpfel angebaut 78 Prozent davon liegen in der Steiermark. 188.000 Tonnen Äpfel kamen 2014 zusammen, das waren 81 Prozent der gesamten Ernte Österreichs. Im Vorjahr war der Ertrag mit 179.000 Tonnen in Folge von Hitze- und Unwetterschäden um fünf Prozent geringer.
„Wetter spielt verrückt“
Josef Singers Landwirtschaft gehört mit rund 200 Tonnen Äpfel und Birnen pro Jahr zu den Betrieben mittlerer Größe. Versichert war er nicht. „Das gibt’s erst seit Kurzem über die Hagelversicherung. Aber das hat sich noch nicht etabliert“, begründet er. Bisher sei das auch kaum nötig gewesen, denn „die Steiermark war begünstigt und ein ideales Apfelland. Aber jetzt fängt das Wetter an, verrücktzuspielen.“
Solchen Frost Ende April habe es jahrzehntelang nicht gegeben, so Singer. „Ich telefoniere schon den ganzen Tag mit Kollegen. Keiner kann sich an so was erinnern – und da sind Leute dabei, die arbeiten schon seit 50 Jahren.“