(Mai-)Bäume sind wieder auf Wanderschaft
Wenn’s auch anstrengend ist, es ist ein schöner Brauch und wir sind heuer wieder dabei". Sebastian Tüchler und seine Freunde von der Landjugend in Neustadtl im westlichen Niederösterreich gelten seit dem Vorjahr als Könige der Maibaumdiebe. Gleich sechs Mal gelang es der emsigen Truppe, prächtig geschmückte Bäume aus nahen und auch ferneren Ort zu stehlen.
Bei ihren Beutezügen scheuen die Neustadtler weder Bezirks- noch Landesgrenzen. Im Vorjahr schnappten sie auch in Diembach in Oberösterreich das bunte Fruchtbarkeitssymbol weg. "Als wir den Baum zurückbrachten, gab es ein tolles Fest. Es haben sich Freundschaften gebildet", erzählt Tüchler. Mit ein bis zwei Autos werde man auch heuer in den ersten drei Mainächten wieder ausfahren, um nach Beute Ausschau zu halten. Auch auf das Bewachen des eigenen Baumes in Neustadtl wird nicht vergessen.
Mit dem ersten Opfer 2015 haben Tüchler und seine Landjugend-Freunde freilich nichts zu tun: In Steyr (OÖ) wurde der Maibaum schon eine Woche früher aufgestellt. Dabei wurde der Baum extra mit Bolzen festgeschraubt, die zusätzlich noch verschweißt wurden. Für die Feuerwehr Hofkirchen war der Diebstahlschutz aber kein Hindernis. Seit Mittwoch steht der Maibaum als Trophäe vor dem eigenen Feuerwehrhaus.
"Den Maibaum eine Woche früher aufzustellen, kommt durchaus vor", sagt Stefan Lorenz, Geschäftsführer der Landjugend OÖ. "Die Regeln für das Stehlen muss man dann halt vereinbaren." Diese Regeln unterscheiden sich nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern sogar von Gemeinde zu Gemeinde. In Oberösterreich hat die Landjugend nun eine digitale Landkarte initiiert, auf der die in der jeweiligen Gemeinde geltenden Regeln aufscheinen.
Während in Oberösterreich sowie im Mostviertel die Maibäume sorgfältig abmontiert und in der eigenen Ortschaft als Symbol des Erfolges wieder aufgestellt werden, geht es im Wald- und Weinviertel etwas rustikaler zu. Wer nicht aufpasst, dem wird der Baum gleich zersägt.
Absperrung mit Panzer
In den meisten Orten wird deshalb eine eigene Wachpatrouille gestellt. Einige sitzen beim Lagerfeuer um den Baum, andere verstellen den Weg mit Autos. In Arnoldstein in Kärnten kommt gar ein ausrangierter Panzer des Bunkermuseums zum Einsatz.
Laut Gesetz gilt jeder gestohlene Maibaum als Diebstahl – allerdings nur, wenn der Baum nicht mehr zurückgegeben wird. Auch bei Sachbeschädigungen können Anzeigen folgen. Wird jedoch weder etwas beschädigt noch der Baum behalten, hat der Brauch keine rechtlichen Konsequenzen.
Ganz ohne Folgen bleibt der Diebstahl in manchen Ortschaften dennoch nicht. In Rufling (OÖ) wurden der Maibaum im Vorjahr offenbar nicht nach den örtlichen Brauchtumsregeln gestohlen. Die Folge: Ein (Jux)-Prozess samt Polizei und Richter.
Regeln der Diebe
Die Zunft der Maibaum-Diebe hat Gesetze. Weil die aber oft schon zwischen zwei Nachbarorten voneinander abweichen, ist für Zündstoff gesorgt.
Unumstritten ist, dass das Stehlen in den ersten drei Tagen nach dem Aufstellen und in den letzten drei Maitagen erlaubt ist. Das Umsägen ist in den meisten Gegenden verpönt. Werden Diebe oder Werkzeuge von Wächtern erwischt, ist eine Auslöse, meist in Naturalien, fällig. Der gestohlene Baum muss geschmückt und unbeschadet gegen Speis und Trank in den Ursprungsort zurückgebracht werden. In vielen Orten gilt: Stehlen darf nur, wer daheim selbst einen Maibaum stehen hat.