"Ich kam mir wie einbetoniert vor"
Von Patrick Wammerl
Es war wie ein Höllenritt. Ich habe mich steif gemacht und wie ein Verrückter gegen die Lawine gekämpft. Aber ich hatte keine Chance, sie hat mich einfach mitgerissen": Dass Franz Hausmann (57) heute gemütlich bei Kaffee und Kuchen in einer Konditorei am Fuße des Schneebergs sitzt, grenzt an ein Wunder. Der erfahrene Alpinist, Skilehrer und Skitouren-Profi wurde – wie berichtet – am Schneeberg, Niederösterreich, am 1. Februar unter einer Lawine begraben. Während kaum jemand länger als eine Stunde in den Schneemassen unbeschadet übersteht, war der zähe Sportler zwei Stunden und fünfzehn Minuten lang verschüttet, ehe er von seiner eigenen Freundin gerettet wurde.
"Es ist merkwürdig, aber meine Panik im ersten Moment war nicht verschüttet zu werden, sondern dass mich die Lawine gegen einen Baum oder Felsen schmettert", schildert "Hausi", wie er überall im Ort genannt wird. Er bezeichnet es als "wildes Glück", dass er, kurz bevor die Lawine zum Stillstand kam, um Haaresbreite an einem Baum vorbei schrammte. "Dann ist es finster geworden. Die Schneemassen sind von hinten über mich d’rüber". Sein erster Gedanke war, irgendwie an sein Handy in der Jackentasche zu gelangen. "Aber ich war wie einbetoniert. So wie wenn man sich im Urlaub bis zum Hals im Sand eingraben lässt", schildert Hausmann.
Das Letzte, an das er sich erinnern kann? "Ich habe mit der rechten Hand versucht zu graben. Dann bin ich anscheinend weggekippt."
Alarm
Als Hausi nicht zum vereinbarten Treffpunkt auf der Edelweißhütte erschien, wurde Lebensgefährtin Eva Schuhböck nervös. Sie war an dem Tag ebenfalls eine Skitour gegangen. Ihr Freund kannte die Route und wollte schauen, ob er sie wo abpassen kann. Deshalb war er zu dem Zeitpunkt auch alleine unterwegs. Nachdem alle Versuche, ihn am Handy zu erreichen scheiterten, alarmierte Schuhböck die Bergrettung und machte sich selbst auf die Suche nach ihrem Lebensgefährten. Sie entdeckte tatsächlich den Lawinenkegel. Nachdem es ihr gelang, den Verschütteten mit dem Lawinenpieps zu orten, begann sie sofort, ihn auszugraben. Als sie ihren Freund fand, war er ohne Lebenszeichen.
Obwohl es bereits dunkel war, nahm der Pilot des Rettungshubschraubers Christophorus 3 das Risiko in Kauf, die Edelweißhütte am Schneeberg anzufliegen. Weil Hausmanns Körpertemperatur bereits auf 28 Grad gefallen war, musste sein Blut im Wiener AKH abgezapft, erwärmt und wieder in den Körper gepumpt werden. Die Therapie half. Der 57-Jährige erwachte bereits am nächsten Tag aus dem Koma. Laut den Ärzten hatte Hausmann Tausend Schutzengel. Dass jemand einen so langen Sauerstoffmangel ohne bleibende Gehirnschäden übersteht, gilt als fast ausgeschlossen.
Ein Monat nach dem Unglück ist Hausmann wieder fast der Alte. Er war bereits mit Tourenski wieder auf seinem geliebten Hausberg. "Aber es hat mich vorsichtiger gemacht. Ich fühlte mich an diesem Tag sicher und dachte niemals an einen Lawinenabgang. Das zeigt, dass egal wie gut man ein Gebiet kennt und vorbereitet ist, immer ein gewisses Restrisiko in diesem Sport bleibt. Wann immer man unsicher ist, sollte man lieber nichts riskieren und es sein lassen. Mir ist klar, dass ich dieses Glück kein zweites Mal habe."
Der Winter erlebt in Westösterreich gerade ein starkes Comeback. Obwohl die Skisaison noch einige Zeit andauern wird, sind bereits jetzt in Österreich mehr Lawinentote zu beklagen als in der gesamten Saison 2013/14.
24 Menschen sind bis zum gestrigen Donnerstag bisher unter den Schneemassen ums Leben gekommen. "Nur" 13 waren es hingegen im Vorjahr. "Im langjährigen Schnitt liegt die Zahl der jährlichen Opfer bei 26. Diese Statistik ist aber etwas verfälscht, da sie auch die Lawinenkatastrophe von Galtür beinhaltet", erklärt Andreas Würtele vom Kuratorium für alpine Sicherheit. Die Tragödie (1999) forderte 38 Menschenleben.
Gestiegen ist im heurigen Winter nicht nur die Zahl der Toten, sondern auch jene der bekannt gewordenen Lawinenunfälle. Diese lag mit Stichtag vom 22. Februar bei 91. In der vergangenen Saison waren es im Vergleichszeitraum 67. Das geht aus Daten der Alpinpolizei hervor.
Daraus lassen sich aber auch positive Trends ablesen. Sowohl die Zahl der Pistenunfälle, als auch jene der Menschen, die dabei ums Leben kamen, ist in der bisherigen Wintersaison vergleichsweise gering. Im Vorjahr waren in Skigebieten um diese Zeit bereits 29 Menschen ums Leben gekommen, heuer sind es 16. Die Zahl der Unfälle ging von 2389 auf 1882 zurück.