Chronik/Niederösterreich

"Straflager": Kinder- und Jugendanwaltschaft prüft Unterkunft

Die niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft hat sich im Fall der von NÖ-Landesrat Gottfried (FPÖ) eröffneten Unterkunft für auffällige minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) eingeschalten. "Wir überprüfen im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten", sagt Leiterin Gabriela Peterschofsky-Orange zum KURIER. "Was wir bis jetzt gehört haben, scheint es nicht den Kinderrechten zu entsprechen. Jedes Kind hat das Recht auf bestmöglichen Schutz, auf Hilfe. Das ist ein Grundsatz im Recht für Kinder und Jugendliche: Hilfe statt Strafe." Auch die Volksanwaltschaft teilt mit, dass sie bereits eine Prüfung eingeleitet hat.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft mache sich jedenfalls ein Bild vor Ort, außerdem werde jede einzelne Geschichte der Jugendlichen geprüft. "Ich war sehr erschüttert von den Bildern. Ein Stacheldraht ist nicht mit Kinderrechten vereinbar", fährt Peterschofsky-Orange fort. Es werde auf die Einhaltung der Kinderrechte gepocht.

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"Straflager"

Die Asylkoordination Österreich bezeichnet die Unterkunft in einer Aussendung am Donnerstag als " Straflager". Niederösterreich verstoße mit der Internierung von Flüchtlingskindern gegen internationales Recht.

"In Niederösterreich werden die Kinderrechte derzeit mit Füßen getreten", kritisiert Obfrau Anny Knapp die jüngste Maßnahme von Waldhäusl. "Minderjährige Asylwerber werden über Anordnung des Landesrates in ein Quartier an der tschechischen Grenze gebracht und stehen dort quasi unter Hausarrest. Das Quartier ist mitten im Nirgendwo - mehr als zwei Kilometer außerhalb des Tausend-Einwohner-Ortes - umzäunt", fährt sie fort.

Ein Betroffener berichtet einer österreichischen Bezugsperson laut Asylkoordination über die Umstände seiner Unterbringung: Er dürfe sich nur im Haus frei bewegen und das Areal nicht verlassen. Nicht einmal Besorgungen, wie etwa der Kauf von Zigaretten, sei möglich. Selbst in den Garten zu gehen, sei ohne Erlaubnis und Begleitung durch einen Security-Mitarbeiter verboten. Außer Kartenspielen gebe es keine Beschäftigungen im Haus.

Ein anderer Jugendlicher habe von maximal einer Stunde "Ausgang" am Tag berichtet. Die asylkoordinaation dazu: „Das reicht nicht einmal, um zu Fuß in das Ortszentrum von Drasenhofen und zurück zu kommen. Ein Fußmarsch dauert laut Google Maps 33 Minuten in eine Richtung.“

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Asylkoordination prüft Anzeige

Es stelle sich die Frage, ob solche Bedingungen nicht den Tatbestand des rechtswidrigen Freiheitsentzugs erfüllen. Seitens der Asyl-NGOs und Bezugspersonen der Flüchtlinge überlege man, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft einzubringen.

Die Asylkoordination stellte zudem fest, dass rechtlich für die Gruppe von jungen Menschen - laut Waldhäusl „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit rechtskräftig negativem Asylbescheid“ und Personen, „die in anderen Unterkünften als notorische Unruhestifter aufgefallen sind“ - maximal eine Gebietsbeschränkung auf einen Verwaltungsbezirk möglich sei. „Eine de facto Internierung ist unter keinen Umständen gerechtfertigt.“

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Reaktionen aus NÖ

Auch die SPÖ NÖ verurteilt das Quartier mit Stacheldraht und Wachhund am Donnerstag aufs Schärfste. Integrationssprecherin Kathrin Schindele sagt: "Für die SPÖ NÖ besitzt das Thema Sicherheit oberste Priorität. Jedoch hat auch die Wahrung der Menschenwürde eine große Bedeutung und es steht außer Zweifel, dass eine derartige Internierung, wie wir sie derzeit in Drasenhofen vorfinden, höchst unmenschlich ist.“

Sie hält außerdem fest, dass es Konsequenzen geben müsse, wenn sich jemand nicht korrekt verhält und straffällig wird - dafür gäbe es jedoch Gerichte. Im Falle des Quartiers in Drasenhofen hätte aber niemand das Recht, Menschen wie Schwerverbrecher zu behandeln und sie einfach hinter einem Stacheldraht wegzusperren. „Die SPÖ NÖ hätte sich gewünscht, dass den Jugendlichen, solange sie sich in Österreich aufhalten, eine Möglichkeit gegeben wird, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen."

SP-Nationalratsabgeordnete Melanie Erasim weist zudem auf die unzureichenden Informationen hin, die von den zuständigen Stellen im Land weitergegeben werden: „Selbst der Bürgermeister von Drasenhofen hat erst wenige Tage zuvor von dem Vorhaben erfahren. Der Bevölkerung wird suggeriert, dass dies gefährliche Menschen sind, die in Drasenhofen einziehen, dabei weiß man nicht einmal, wie viele es sein werden oder was es in deren Augen heißt ‚auffällig‘ zu sein. Das ist populistische Angst- und Panikmache.“ Drasenhofen dürfe nicht alleine gelassen werden.

Laut Waldhäusl "Probebetrieb"

Laut Waldhäusl sind bisher 14 Personen in das Quartier eingezogen. Es werde im Rahmen des Asyl-Maßnahmenplans vorerst als Probebetrieb geführt, der nunmehr erfolgreich angelaufen sei.

Es sei wichtig, Erfahrungswerte zu sammeln, betonte Waldhäusl in einer Aussendung. „Immerhin ist es erstmalig, dass eine derartige Unterkunft installiert worden ist. In drei bzw. sechs Monaten werden die Erfahrungen evaluiert.“

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in Drasenhofen seien dazu gedacht, dass Konflikten der Asylwerber untereinander rascher begegnet werden könne. „Schließlich sind beispielsweise notorische und potenzielle Unruhestifter darunter, die schon in anderen Unterkünften anderen Mitbewohnern und Betreuern das Leben schwer gemacht haben. Jugendliche eben, die zwar immer auf ihre Rechte gepocht, aber ihre Pflichten grob vernachlässigt haben“, so Waldhäusl. „In Drasenhofen soll daher ein gewisses Maß an Ordnung und Struktur geboten werden, wie das ja auch bei unseren einheimischen, schwer erziehbaren Jugendlichen der Fall ist.“