Jäger sollen dem Wolf eins auf den Pelz brennen
Von Jürgen Zahrl
Seit den jüngsten – noch nicht bestätigten – Schafsrissen am vergangenen Samstag auf einer umzäunten Weide nahe Langschlag im Bezirk Zwettl spitzt sich die Lage im niederösterreichischen Waldviertel zu. Gemeinde- und Behördenvertreter sowie betroffene Landwirte sprechen von Krisenstimmung, weil der Wolf schon mehreren Siedlungen bedrohlich nahe gekommen sei. Die einen hätten Angst und fordern den Abschuss, damit der Wolf wieder „die Scheu vor den Menschen bekommt“. Die anderen bleiben trotz der Risse in ihrer Herde gelassen und kündigen einen besseren Zaunbau an.
Trotzdem tagte Montagnachmittag ein Krisenstab in der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, bei dem ein Aktionsplan ausgelotet wurde. „Die zunehmende Wolfspopulation lässt verheerende Auswirkungen auf die Region erahnen“, sagte Regionssprecher Maximilian Igelsböck. Da der Wolf europaweit einen strengen Schutzstatus genießt, ist der Spielraum derzeit relativ eng gesteckt. Einig sind sich die Bezirkshauptmannschaften Gmünd und Zwettl darüber, dass es jetzt mehrere sogenannte Vergrämungsmaßnahmen geben muss. Per Bescheid soll es der Jägerschaft in den betroffenen Gemeinden Bad Großpertholz und Langschlag möglich sein, Wölfe mit Gummigeschoßen oder Schreckschüssen zu verjagen. Damit betrete man bundesweit Neuland, heißt es. Davon hält der WWF wenig und spricht von einer „bewussten Eskalationsstufe“, er fordert einen besseren Herdenschutz.
Maschendraht
Der bringt aus Sicht von Horst Wiesmayer aus Langschlag wenig. Obwohl er seine Schafe mit einem r und eineinhalb Meter hohen Zaun schützte, hat er seit Samstag keine Herde mehr. Er glaubt, dass der Wolf über den Maschendraht in das Gehege, das sich 300 Meter von Langschlag entfernt befindet, gelangt sei. Was dann passierte, zeigt er auf mehreren Handy-Bildern. „Am helllichten Tag sind sechs von sieben Kamerunschafen gerissen worden. Drei Tiere, die noch nicht tot waren, mussten wir erschießen lassen“, sagt Wiesmayer. Noch fehlt die Bestätigung durch die DNA-Analyse. Doch anhand des Schadensbilds sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass es der streunende Großräuber war.
Dass er für die Risse eine Entschädigung vom Land bekommt, bringe ihn nicht weiter. „Wenn ich mir neue Mutterschafe kaufe, die meine Weide abgrasen sollen, beginnt das Problem wieder von vorne“, sagt der Bauer. Auch Edith und Erwin Holl aus dem Nebenort Bruderndorf sehen das ähnlich. Auf ihrer etwa zwei Hektar großen Weide seien Anfang August sieben Tiere vom Wolf gerissen worden. Seither bleiben ihre Schafe im Stall. „Das ist eigentlich problematisch, weil wir verpflichtet sind, die Schafe auf der Weide zu halten. Die Tiere sind seither verschreckt“, sagt Erwin Holl.
Gelassen bleibt hingegen Martin Artner aus Bad Großpertholz, obwohl der Wolf zwei seiner Schafe gerissen hat: „Das ist eben Teil der Natur“, sagt er und will einen besseren Zaun bauen.
Während mehrere Bürger in Langschlag ihre Sicherheit bedroht sehen, fordern andere, darunter auch zahlreiche Landwirte, schon die „Entnahme von Problemwölfen“. Das heißt: Abschuss. „Die jüngsten Vorfälle zeigen, dass der Wolf keine Scheu vor uns Menschen hat“, sagt Josef Maurer, stellvertretender Obmann der Bezirksbauernkammer in Zwettl, „wir leben hier auch vom Tourismus. Daher müssen wir mit gezielten Maßnahmen dafür sorgen, dass sich die Bürger wieder sicher fühlen können.“
Negatives Image
WWF-Spezialist Christian Pichler spricht von Panikmache: „Man will offenbar ganz bewusst die Situation eskalieren lassen. 50 Prozent der Bürger haben nichts gegen den Wolf. Jetzt will man sein Image gezielt ins Negative drehen. Es ist unverantwortlich, die Interessen beider Seiten gegeneinander auszuspielen“, schildert Pichler. Er wirft der Landes-Landwirtschaftskammer vor, seit Jahren nichts in Sachen Herdenschutz getan zu haben.
Auf Anfrage des KURIER musste die Landwirtschaftskammer zuletzt tatsächlich zugeben, dass es bisher noch keine Beratungen für Weidehalter zum Thema Wolf gegeben hätte. Die sind allerdings Teil des Wolfsmanagementplans, der 2012 von allen Seiten unterschrieben wurde.