„In der Krise ein starkes Zeichen gesetzt“
Von Markus Foschum
KURIER: Viele wissen, dass es einen Zivilschutzverband gibt, aber nicht alle, was seine konkreten Ziele und Aufgaben sind?
Christoph Kainz: Wir sind eine landesweit tätige Organisation mit 1.900 Mitarbeitern, die ihren Sitz im Feuerwehr- und Sicherheitszentrum in Tulln hat. In jeder Gemeinde gibt es mindestens einen Zivilschutzbeauftragten, der mit dem Bürgermeister einen Katastrophenschutzplan erstellt. Das reicht von Quartieren für den Notfall über Lebensmittel und die medizinische Versorgung bis zur Kommunikation. Und wir wollen die Bevölkerung für den Katastrophenschutz sensibilisieren, auf ein Thema hinführen, wo wir hoffen, dass es nie eintritt.
Ist das notwendig, gibt es nicht genügend staatliche Strukturen, die im Ernstfall tätig werden?
Jeder Einzelne muss sich mit dem Thema auseinandersetzen. Wir leben nicht unter einem Glassturz, wo nichts passieren kann. Das Schadensausmaß kann aber minimiert werden, wenn sich jeder im Vorfeld darauf vorbereitet. Unsere Aufgabe ist es, die Eigenverantwortung zu erhöhen und zu stärken.
Was könnte im Ernstfall passieren, wie wahrscheinlich ist ein solches Katastrophenszenario?
Ein Blackout, ein großer Stromausfall über einige Tage hinweg etwa. Experten sagen, dass das irgendwann passieren wird. Dann funktioniert nämlich vom Bankomat über die Kassa im Supermarkt und dem Computer bis zum Handy, wenn der Akku leer ist, gar nichts mehr.
Kann man die Corona-Krise als eine Art Probefall dafür bezeichnen? Ist der Zivilschutzverband nun besonders gefordert?
Für einen Probefall ist das viel zu einschneidend, aber viele sehen das Thema Zivilschutz heute mit anderen Augen. Aktuell ist das die größte Herausforderung für den Zivilschutzverband seit seiner Gründung 1961.
Andere Organisationen stehen derzeit viel stärker in der Öffentlichkeit. Wo und wie ist der Zivilschutzverband aktiv?
Wir sind nie so auffällig gewesen, unsere Arbeit ist qualitätsvoll, aber unspektakulär. Unsere Hauptaufgabe ist es, unsere Zivilschutzbeauftragten, die Gemeinden, Bürgermeister und vor allem die Bevölkerung zu informieren. Dafür haben wir in den vergangenen Wochen laufend Aussendungen per Mail gemacht, rund 50.000 Drucksorten hergestellt und versandt sowie 22.000 Infomaterialien verteilt und 40 Kurzfilme produziert. 1.000 ehrenamtliche Mitarbeiter sind in den Gemeinden aktiv. Dazu beantworten wir täglich bis zu hundert telefonische Anfragen. Und weil unsere Safety-Tour in die Schulen derzeit nicht möglich ist, haben wir ein „Safety at Home“-Paket für Kinder zusammengestellt. Unsere Homepage gibt Tipps, wie man Schutzmasken herstellt und wir helfen etwa auch bei der Organisation der Blutspendeaktionen.
Die Corona-Krise bestimmt seit Wochen das Leben, nun werden Beschränkungen gelockert. Wie ist man in Österreich Ihrer Meinung nach mit der Situation umgegangen?
Ich finde, dass das ganz toll gemeistert wurde. Die Bevölkerung wurde perfekt informiert, es gab zu keinem Zeitpunkt einen Versorgungsengpass. Auch die Zivilgesellschaft hat ein starkes Zeichen gesetzt im Sinne von Zivilschutz und Eigenverantwortung. Und das Bewusstsein bei den Verantwortlichen wurde geschärft.
Welche Lehren sollte man aus der Corona-Krise ziehen? Und was hat der Zivilschutzverband daraus gelernt?
Die Hamsterkäufe beispielsweise, das wäre nicht notwendig gewesen. Bei einem Blackout könnte das aber schon schwieriger sein. Das Ziel sollte daher auf jeden Fall ein krisensicherer Haushalt sein. Das bedeutet, immer Lebensmittel für eine Woche zu Hause zu haben. Die Erfahrungswerte werden evaluiert und diskutiert, um auch in Zukunft gut aufgestellt zu sein. Konkret wollen wir etwa vorschlagen, dass pro Gemeinde ein öffentliches Gebäude mit Notstrom versorgt werden kann. Die Bevölkerung braucht einen Ort, wo man etwa bei einem Blackout Information bekommt.
Überall gab und gibt es Initiativen, engagieren sich Menschen für andere, auch in Pfaffstätten, wo Sie Bürgermeister sind. Hat Sie dieser große Zusammenhalt überrascht?
Es gibt unglaublich viele Strukturen, die vor sechs Wochen hochgefahren wurden, das reicht vom Einkaufsdienst bis zur Telefonberatung. Bei uns ist der Hilfsdienst innerhalb von 48 Stunden zusammengestellt gewesen, das ist in vielen Gemeinden passiert. Eine Erkenntnis ist also, dass man auch in der heutigen Zeit viele motivieren kann, sich zu engagieren. Und jetzt muss ich zu einem Balkon-Konzert, das für die älteren Bewohner unseres Generationenhauses gegeben wird.
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