Frühstück mit Maria Happel
Von Maria Gurmann
Ungeschminkt, in Leggings und blauem T-Shirt - "wie ich halt am Sonntagmorgen ausschaue" - öffnet die Burgschauspielerin die Tür der Altbauwohnung im dritten Bezirk. Fröhlich und offenherzig wie ihre Mama kommen Paula (14) und Annemarie, alias "Mimi" (9), auf die sichtlich willkommenen Gäste zu. Schauspielkunst vom Feinsten bietet das Künstlerehepaar Maria Happel und Dirk Nocker nur auf der Bühne. Zu Hause wird nicht Theater gespielt, da gibt's ein Theater. Ausgelassen wird ein freier Tag mit der Familie zelebriert. Humor liegt in der Luft.
Premieren-Marathon
"Sonntag ist der einzige Tag, an dem wir alle zusammen sind", sagt die 48-jährige Deutsche. In der Küche macht Mimi die "Rühreier". An der Wand hängen Fotos von den Dreharbeiten zum TV-Film Das Bauernopfer , in dem Happel mit ihrer Tochter Paula und Tobias Moretti spielte. "Mir macht das großen Spaß", sagt Paula , die natürlich auch Schauspielerin werden möchte. "Ich will Modedesignerin werden", erklärt Mimi, die selbstbewusste Plaudertasche, und wirft ihre langen Schneewittchen-Haare hinter die Schulter.
Mama schaut belustigt zu und zeigt den kleinen Klopfbalkon. "Da kann man abends wunderbar einen Rotwein trinken." Im Speisezimmer deckt Paula den Tisch: frisches Gebäck, Käse, Schinken, Marmelade und Nutella. Dazu gibt es Kaffee und Multivitaminsaft. "Unter der Woche essen wir nur schnell ein Müsli", sagt das zierliche Mädchen. Nach dem Premieren-Marathon der Eltern genießen sie den Familientag. Papa - "nein, er ist nicht Deutscher, er ist Berliner" (Mimi) - im Stadttheater Walfischgasse in Backstage , Mama im Burgtheater in Das blinde Geschehen und in der Volksoper in Die Csárdásfürstin.
Seit 19 Jahren ist die im Spessart geborene Schauspielerin in Wien. "Mich hat Claus Peymann geholt. Ein Jahr später habe ich meinen Mann am Burgtheater kennengelernt." Dirk Nocker kommt mit Kathi, "unser guter Geist", zu Tisch. "Ohne sie würden wir das alles gar nicht hinkriegen. Sie ist seit der Geburt von Paula bei uns", sagt Happel, die als beste Seriendarstellerin für die KURIER-ROMY nominiert ist.
Nocker mag die Mentalität der Wiener. "Meine Mutter ist ja eine Österreicherin, die in Berlin meinen Vater, einen Opernsänger, geheiratet hat." Der Menschenschlag in Berlin sei anders, aggressiver als in Wien. Happel: "Und von der Lebensqualität ist es hier auch für die Kinder sehr gut." Die jüngste Tochter weiß auch gleich den Grund dafür und sorgt für die nächste Lachsalve. "Wir haben außerdem hier alles, wir haben Billa, wir haben Bipa, gell Mama?"
Wohltuend, wenn Eltern ihre Kinder reden lassen, ihnen zuhören und sie ernst nehmen. Das hat die Schauspielerin schon als Nachzüglerin in einer Großfamilie in die Wiege gelegt bekommen. Ihr Vater war Winzer, die Mutter hatte einen Frisiersalon im Spessart. Auf Urlaub fuhren die Happels mit ihren fünf Kindern nie. "Das war im Plan nicht vorgesehen. Meine Mutter hätte sofort Heimweh gekriegt." Trotzdem genoss Maria ihre Kindheit. "Am Sonntag kamen alle Geschwister zum Kaffee zu uns. Die waren ja schon außer Haus, meine große Schwester ist zwanzig Jahre älter als ich. Da wurde das Leben von jedem Einzelnen besprochen." Auch in Gebärdensprache, weil eine ihrer Schwestern gehörlos ist.
Offenherzig erzählt die als Pathologin in SOKO Donau für Heiterkeit Sorgende, zu welcher Jahreszeit sie und ihre Geschwister vermutlich gezeugt wurden. "Ich war ein Unfall nach einem Kameradschaftsabend, meine Geschwister Faschingskinder, weil sie alle im Oktober auf die Welt kamen."
Ihr Vater war "die Zufriedenheit in Person", er wurde nie laut. "Meine Mutter war strenger. Ihre Grundregel lautete: Wer spät ins Bett geht, kann auch früh aufstehen." Das war hart für die kleine Maria. "Ich hab' ab meinem neunten Lebensjahr in der Kirche die Orgel gespielt. Jeden Tag vor der Schule um sieben Uhr." Vor allem in den Ferien sei das Aufstehen eine Qual gewesen. "Ich kannte es nicht anders. Fürs Orgelspielen hab' ich drei Mark pro Messe bekommen. Mit 18 hab' ich mir dann um 3000 Mark mein erstes Auto gekauft ", sagt die leidenschaftliche Klavierspielerin und Mezzosopranistin.
Multitalent
Nach dem Abitur studierte Happel in Hamburg auf der Schauspielschule. "Ich bekam eine staatliche Unterstützung, gab Klavierstunden und war Kellnerin in einem griechischen Lokal", erinnert sich Happel, die auch für ihre wunderbaren Inszenierungen bei den Festspielen in Reichenau bekannt ist. Begonnen hat sie als Handpuppenspielerin in einer deutschen Fernsehsendung. Auf Jobsuche musste sie nie gehen. "Ich liebe die Abwechslung und auch das Engagement bei der Volksoper. Die Csárdásfürstin ist ein herrlicher Ausflug in eine andere Zeit." Als sie bei der Premiere, einen Tag nach dem Japan-Erdbeben, das Eröffnungslied sang, "schossen mir die Tränen in die Augen". Da heißt es: "Wer weiß, wie lang sich der Globus noch dreht, ist es nicht morgen schon viel zu spät." Wenn sie hinter der Bühne steht und das Orchester einspielen hört, "dann denke ich mir, im nächsten Leben muss alles mit Musik sein. Man kann gar nicht anders, als mit Musik gute Laune zu kriegen."
Das ist auch der Grund, warum ihre Töchter Klavier spielen müssen. "Wir können über alles diskutieren. Übers Klavierspielen gibt es keine Diskussion, das gehört zur Bildung." Dafür gibt es ab und zu einen "Schweinetag", den Papa erfunden hat. Mimi erklärt ihn: "Da dürfen wir Freunde einladen und essen, wie wir wollen. Zum Beispiel Spaghetti mit Tomatensauce mit den Fingern. Und wir dürfen Wörter sagen, die sonst verboten sind."
Glaube an Gott
Maria Happels sehr gläubige Eltern waren streng, wenn es ums Tischgebet oder um den Kirchgang ging. Happel: "Jetzt halten wir die Feiertage schon ein. Der Papa ist ein Heidenkind, das wir uns da geschnappt haben, er geht mit in die Kirche. Ich glaube an Gott, nicht an die Firma Kirche." Der Glaube gebe ihr Halt. "Ich bete, wenn es mir schlecht geht oder aus Dankbarkeit", sagt die Schauspielerin und Regisseurin während sie ihre Kreuz-Sammlung zeigt, die ihr eine Kollegin vermacht hat.
Nach einer vierhändigen Kostprobe von Paula und ihrer Mama am Klavier, lädt der Hausherr zu einem Probespiel auf seinem Flipper ein, der von deckenhohen Regalen umringt ist. Dort verstaut der Filmfreak Tausende DVDs. Und Mimi, das Nesthäkchen, sorgt fürs Abschlussgelächter, indem sie ihre Mutter beschreibt: "Sie ist hübsch, sie ist sehr talentiert, sie ist nett, sie ist lieb, sie ist sehr lustig und sie isst Käse."
Info: "Die Csárdásfürstin", Volksoper, am 5.4., 13.4. 18.4.
Sonntagsfragen
Mein erster Gedanke beim Aufwachen:
Was spiele ich heute Abend? Ich kann morgens die Rollen abrufen.
Ich träume oft von ...
Wasser, keine Albträume.
Ein Wort, das ich am Sonntag nicht hören kann:
Schweinetag! (siehe Haupttext)
Wenn ich Zeit habe, sehe ich ...
am liebsten Schwarz-Weiß-Filme aus unserer Videothek. "Das Leben ist schön" schauen wir immer zu Weihnachten an.
Ein Sonntag, den ich nie vergesse:
Die Kommunionssonntage der Kinder. Wir sind mit dem Fiaker in den Prater gefahren.
Den ersten Blick in den Spiegel:
vermeide ich.
Meine Sonntagslektüre:
Wir haben den KURIER abonniert. Kein Scherz.
Der Platz, an dem ich gerne frühstücke:
In Venedig oder am Weißensee.
Den Appetit verdirbt mir:
Paula meint: "Der Blick in den Spiegel." Maria Happel hält sich den Bauch vor lachen und sagt: "Der Blick auf die Waage."
Auf keinen Fall esse ich
Grießbrei.
Am liebsten esse ich
Stelze mit einem Bier.