Chronik/Niederösterreich

Enteignung in Allentsteig?

Mitteleuropas größter Truppenübungsplatz Allentsteig im Waldviertel könnte ein Fall für eine Restitutionskommission werden. Mehr als 200 regionale Bauern sehen ihre Pachtflächen bedroht und fürchten eine zweite Enteignung, sollte die Heeresforstverwaltung laut Plänen des Verteidigungsministeriums tatsächlich privatisiert oder ausgegliedert werden. Die Juristen der Landwirtschaftskammer prüfen inzwischen eine Klage gegen die Republik, um die Flächen zurückzufordern.

Bewirtschaftung

Derzeit werden die Äcker noch an Bauern verpachtet, Wälder von Heeresbediensteten verwaltet und Jagdlizenzen vergeben. Geht es nach Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ), will er die Bewirtschaftung des 157 Quadratkilometer großen Areals bald in externe Hände legen. Die Planungen reichen von einer Übergabe an die Bundesforste bis zu einer privaten Heeresforste-Verwaltungsgesellschaft. Eine endgültige Variante will Darabos ins aktuelle Sparpaket "schmuggeln" und im Parlament zur Abstimmung bringen, vermuten Polit-Insider.

Da mehr als 200 Waldviertler Landwirte befürchten, mit der Privatisierung oder Ausgliederung der Heeresforste ihre Pachtflächen im Ausmaß von 3000 Hektar und damit die Förderungen zu verlieren, planen sie einen Gegenschlag. "Meine Existenz ist bedroht, wenn ich die Pachtflächen nicht mehr bekomme. 50 Prozent meiner Äcker liegen auf dem Übungsplatz", sagt Landwirt Gerhard Bittermann.

Klage

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Nun wittern die Bauern die Möglichkeit, die enteigneten Grundstücke mittels Klage zurückzufordern. "Sollten die Heeresforste tatsächlich privatisiert werden, erlischt der Enteignungsgrund, weil die militärischen Flächen dann nicht mehr gänzlich im öffentlichen Interesse stehen", sagt Martin Jilch, Jurist in der nö. Landwirtschaftskammer. Minister Darabos kontert: Das Übungsgelände Allentsteig werde weiterhin uneingeschränkt für militärische Zwecke genutzt. Und: Die Bundesforste würden zu 100 Prozent im öffentlichen Eigentum stehen.

"Das Heer hat aber auch eine moralische Verpflichtung", betont Dietmar Hipp, Obmann der Zwettler Bezirksbauernkammer. Viele Landwirte und Grundeigentümer seien für das Errichten des Truppenübungsplatzes bis heute nur schlecht oder überhaupt nicht entschädigt worden. Das bestätigt Bernhard Lehr, Obmann des Aussiedler-Vereins. Lehr fordert die Republik auf, die Gründe den rechtmäßigen Besitzern oder deren Nachkommen zurückzugeben.

Klarheit

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"Die Eigentümer könnten ja diese Flächen für militärische Übungen freigeben", sagt Hipp und gibt sich kämpferisch: "Wir haben eine Bürgerinitiative gegründet und sammeln Unterschriften gegen die Ausgliederung der Heeresforste." Hipp verlangt ein klärendes Minister-Gespräch und die Rückgabe der Äcker oder längerfristige Pachtverträge.
Auch Gewerkschafterin Rosa Golob-Fichtiger fordert ein Ende des Ausgliederungswahnsinns: "Es darf nicht sein, dass durch falsch verstandenen Spargedanken, gut gehende Dienststellen in Frage gestellt werden."

Gesetz: Kampf um "späte Gerechtigkeit" Solange der Truppenübungsplatz Allentsteig im Waldviertel "im öffentlichen Interesse" steht, haben die noch lebenden Geschädigten oder deren Nachkommen keine rechtliche Möglichkeit zu Entschädigungen für die enteigneten Grundstücke zu kommen. Das ist das Fazit von Universitätsprofessor Wolfgang Brandstetter, der vor mehreren Jahren in einem Dossier die "Rechtsprobleme des Truppenübungsplatzes Allentsteig" durchleuchtete.
Mit Hilfe des 3. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes wurde im Jahr 1957 eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, mit der das ehemalige Vermögen der deutschen Wehrmacht "für Zwecke der Republik Österreich" in deren Eigentum übergegangen ist. Das entsiedelte Areal wurde dem österreichischen Bundesheer als Übungsplatz übergeben. Die Anträge der früheren Grundeigentümer und Landwirte auf Rückgabe wurden abgewiesen. Bis heute warten nicht wenige ehemalige Besitzer auf eine entsprechende Entschädigung, heißt es. Der "Paragraf 2" regelt die Veräußerung der Vermögenswerte, sofern sie nicht für Zwecke der Republik Österreich benötigt werden. Da könnte der "Paragraf 6" zur Geltung kommen. Ein Auszug: "Bei der Zuteilung von Land sind jene Personen bevorzugt zu berücksichtigen, die Grundstücke abgegeben haben, die sie (. . .) zur Sicherung der Existenzgrundlage benötigen."
Streitfrage Hier wollen die Landwirte im Fall einer Heeresforste-Privatisierung einhaken – hoffen auf "späte Gerechtigkeit". Eine private Forstverwaltung stehe nicht mehr im öffentlichen Interesse. "Es muss Ziel der Republik sein, wieder für klare Verhältnisse zu sorgen", sagt Jurist Martin Jilch.