Ein Bergdorf aus Niederösterreich
Von Julia Schrenk
Kasten ist ein Nest. Aber ein nettes. In dem kleinen Ort im Bezirk St. Pölten-Land gibt es – im Gegensatz zu anderen kleinen Nestern – nämlich noch ein Wirtshaus, ein Gemeindeamt, eine Bank und einen Supermarkt. Und seit Kurzem eine Bestseller-Autorin: Die 23-jährige Vea Kaiser.
Vea wird die gebürtige St. Pöltnerin in Kasten aber nicht genannt. Dort ruft man sie nach ihrem Taufnamen: Verena. Und dass die Verena ein Buch geschrieben hat, das haben noch nicht alle Kastener mitbekommen. "Aso? Die Verena? Die hat ein Buch geschrieben? Na sie war eh immer schon ein bissl anders", erklärt eine Frau, die mit ihrem Wagen gerade vor der Bank geparkt hat. Eine andere sieht den Hype um den 492-Seiten-Roman etwas kritischer: "Um ein Dorf geht"s da, oder? Viele sagen ja, geht um Kasten. . ."
In ihrem Roman Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam, erzählt Vea Kaiser die Geschichte des kleinen Bergdorfes St. Peter am Anger. Dort lebt der Schüler Johannes A. Irrwein, der ein Faible für die Sprache des Altgriechischen hat, aus dem Dorfleben ausbrechen will, völlig unerwartet durch die Matura fällt und vorerst im Dorf hängen bleibt. Daneben erschuf die 23-jährige Jungautorin die schwangere Dorfprinzessin, erzählt von einer nordicwalkenden Frauenrunde und biertrinkenden Männern mit Schwimmreifen um die Leibesmitte.
Wiedererkennungswert
Vea Kaiser beteuert, die Handlung sei erfunden, das Dorf ebenso und auch die Figuren. "Es handelt sich um ein fiktives Bergdorf, das überall auf der Welt sein könnte. In den Alpen genauso wie in den spanischen Pyrenäen."
Trotzdem erkennt sich so mancher Kastener in dem Buch wieder. Das fiktive Bergdorf nämlich heißt zufällig genauso wie das kleine Nachbardorf von Kasten: St. Peter am Anger. Und auch der Bürgermeister von Kasten, Josef Denk, ist sich sicher: Gewisse Handlungsstränge sind an das Leben im 1300-Seelen-Ort angelehnt. "Also, dass es Parallelen gibt, kann die Verena nicht abstreiten", erklärt Bürgermeister Denk.
Wo die denn liegen? "Na zum Beispiel, dass die Tochter des Bürgermeisters mit 16 schwanger wird. Bei mir war"s halt 17 und mit Zwillingen", erzählt Denk. Zwar ist die schwangere Dorfprinzessin im Buch nicht die Tochter des Bürgermeisters, aber Denk erkennt trotzdem die Geschichte seiner Tochter wieder."
Und auch der Dorfplatz, das Wirtshaus, die Nordic-Walker. "Das könnt schon bei uns auch sein", sagt der Bürgermeister. "Vor der Veröffentlichung hat es schon einige Diskussionen gegeben."
Werbewert
Dazu dürfte auch der Bruder von Vea Kaiser beigetragen haben. Er hat ein Exemplar des Vorabdrucks in die Hände bekommen und es seinen Freunden gezeigt: "Die waren sich sicher, da geht"s um Kasten. Nur weil im Buch vorne ein Dorfplan drin ist, bei dem es halt auch ein Wirtshaus, einen Dorfplatz, einen Sportplatz gibt", erzählt die Jung-Autorin von der Aufregung. Das Buch handle natürlich nicht von Kasten, aber: "Es gibt Parallelen. Beim Schreiben kann man sich nicht selbst verleugnen", sagt Kaiser. "Dass sich zum Beispiel der Johannes so für Altgriechisch begeistert, kommt natürlich daher, dass ich mich so dafür begeistere. Man gibt seinen Figuren ja was mit."
Vea Kaiser ist keine typische Kastenerin. Das Dorfleben habe sie nie so interessiert. Die Großstadt schon eher. Abrechnung mit dem kleinen Nest, aus dem sie stammt, sei der Roman aber nicht. "Die Aufregung davor war schon groß. Aber ich habe dann alle Dorfbewohner zu einer Lesung in den Garten meine Eltern eingeladen. Und da waren sie alle sehr lieb. Es war total nett", erzählt die Germanistik- und Altgriechisch- Studentin von der Versöhnung mit ihrem Heimatort. Und auch Bürgermeister Josef Denk findet sich mit der anfänglichen Aufregung mittlerweile ab: "Naja. Marketingmäßig ist das ja vielleicht auch nicht schlecht."
Blasmusikpop – oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam.
Verlag: Kiepenheuer & Witsch.
Gebundene Ausgabe: 491 Seiten.
20,60 Euro.