Chronik/Niederösterreich

Die lebende Schatzkammer

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Im Festjahr zum 900-jährigen Jubiläum geht es im Stift Seitenstetten Schlag auf Schlag. In der Vorwoche öffnete das Benediktinerkloster für die Ausstellung „Leben im Vierkanter“ die Prunkräume und die Schatzkammer. Seit dem 1. Mai sind nun im berühmten barocken Hofgarten des Stifts regelrechte Oper-Air-Schatzkammern frei zugänglich.

Neben den prächtigen Zier- und Duftoasen, legten Stiftsgärtnerin Andrea Stejskal und ihr Team, passend zum Ausstellungsthema Vierkanter, einen mächtigen Bauerngarten an. Vorbild waren frühere Gemüse- und Blumengärten, die früher für die Selbstversorgung der bäuerlichen Familien höchste Priorität hatten. Eine Hauptrolle im Bauerngartl spielt speziell in Seitenstetten das Kartoffel-Beet. Dort legte Gärtnerin Bernadette Haberfellner sehr bewusst ehrwürdig alte Kartoffel-Sorten ein. Klingende Namen wie „Goldsegen“, „Rosa Tannenzapfen“, „Rote Emma“, oder die violett-gelb gefleckte „Suce Vita“ erinnern an eine historisch bedeutende Aktion des Seitenstettener Abts Kaspar Plautz um das Jahr 1620.

NÖ-Kartoffel-Premiere

In einem bedeutenden Buch, das Plautz inkognito als „Honorius Philoponus“ schrieb, beschrieb der Ordensführer den Anbau einer größeren Menge einer Knollenfrucht, die Christoph Columbus aus Amerika nach Europa brachte und von den Indianern „Opanavuck“ genannt wurde. Somit hatte Plautz den ersten Kartoffelanbau in NÖ dokumentiert. Ja, er beschrieb in dem Werk „Nova typis transacta navigatio“ sogar Rezepte für eine süße Erdäpfeltorte und einen Kartoffelsalat.

Das nahrhafte Ackergold setzte sich vorerst weder in der Stiftsküche noch in der Meierei der Benediktiner durch. Eineinhalb Jahrhunderte später startete die Kartoffel aber zum Siegeszug am Speiseplan aller Generationen – bis heute. „Die Kartoffeltradition halten wir mit unserem Schaubeet hoch, die Stiftsküche können wir mit diesen Erntemengen aber nur marginal versorgen“, erzählt Chefgärtnerin Stejskal.

Sie hat im Seitenstettener Hofgarten noch einen weiteren Schatz installiert. Mit Weidengeflecht umzäunt, hat sie einen Garten aus dem Jahr 1112 nachgebaut. Der mit Moosen und Kräuterpolstern bestückte „hortus conclusus“ diente in der Ritterzeit dem Burgfräulein zum erholsamen Rückzug. Aber der „geschlossene Garten“ bot nicht nur Gelegenheit zum Gebet, sondern auch zu manch pikantem Tête-à-tête.