Der Speckgürtel will nicht mehr fetter werden
Von Katharina Zach
Es rumort in den Wiener Umlandgemeinden. Während der Bedarf an Wohnraum wächst, wächst auch der Widerstand gegen Bauprojekte – nicht nur in der Bevölkerung. In Perchtoldsdorf, Bezirk Mödling, macht die Bürgerliste seit Monaten gegen die Verbauung mobil, nun hat auch der Gemeinderat umfassende Maßnahmen zum Ortsbildschutz beschlossen.
„Bei uns, in Klosterneuburg, Korneuburg oder Baden gibt es enormen Druck auf Grund und Boden“, erklärt Bürgermeister Martin Schuster (ÖVP). Schon im März wurde im Bauland-Kerngebiet eine Bausperre verhängt, die maximal sechs Wohneinheiten auf einer Parzelle erlaubt. Nun wurde die Maßnahme erweitert. So wird künftig in weiten Teilen des Ortes die Parzellen-Mindestgröße von 300 auf 500 Quadratmeter aufgestockt.
Das von Villen geprägten „Cottagegebiet“ wird Schutzzone. Hier sowie im Ortszentrum gilt für Bauten, die vor 1945 errichtet wurden, ein Abbruchverbot. „Wir waren in den vergangenen Jahren mit Projekten konfrontiert, die wir so nicht wollen“, erklärt Schuster. Zuletzt lief auch Bürgerlisten-Gemeinderätin Gabriele Wladyka gegen eine geplante Anlage mit 16 Wohnungen am Areal des Heurigen „Tigerwurth“ Sturm.
Private ausgebootet
Perchtoldsdorf ist nicht die einzige Gemeinde, die zum Mittel der – zwei Jahre gültigen – Bausperre greift. Immer mehr Kommunen versuchen sich gegen Begehrlichkeiten von Bauträgern abzusichern – die mit den hohen Preisen im Wiener Umland kein Problem haben und Private dadurch ausbooten. Bauland in hoher Qualität kostet in Perchtoldsdorf bis zu 1220 Euro pro Quadratmeter.
Viele Gemeinden, wie etwa Schwechat, kommen aufgrund der massiven Bautätigkeit zudem kaum mit der Infrastruktur hinterher. Für Regionalforscher Peter Görgl von der Uni Wien sind Bausperren aber nur „auf den ersten Blick scheinbar gute Lösungen.“„Das ist eine gute Maßnahme, um kurz auf die Bremse zu treten. Aber nur, wenn die Gemeinde die Pause nutzt, um ein strategisches Konzept zu erarbeiten.“ Problematisch sei, dass es in den Gemeinden viele Baulandreserven gebe, die gehortet statt auf den Markt gebracht werden. Über 18.000 Hektar Baulandreserve verfügt NÖ aktuell. Hier setzte das Land nun auf gezielte Aktivierung. Zudem wird an einer neuen Strategie zur Regionalentwicklung rund um Wien gearbeitet.
Eine Chance sieht Experte Görgl auch darin, das sogenannte Baurecht attraktiver zu machen. „Und wenn jetzt Bauland gewidmet wird, ist vertraglich geregelt, dass in einer gewissen Zeit gebaut werden muss.“
Denn Fakt ist: Das Umland wächst weiter rasant. Allein Schwechat soll 2030 um 27 Prozent mehr Einwohner zählen. Damit eine gute soziale Durchmischung gegeben bleibt, brauche es Wohnraum und Strategien diesen verträglich zu schaffen, sagt Andreas Hacker vom Stadt-Umland-Management. „Die Gemeinden sollten möglichst stark in Kooperation mit den Projektentwicklern treten“, meint er. Und es brauche Diskussionen zum Thema Wachstum.
Gemeinden wie Perchtoldsdorf sehen dieses jedoch kritisch. 15.500 Menschen wohnen im Ort, mehr als 18.000 sollen es laut Ortschef Schuster nicht werden. Dass das Probleme birgt, ist ihm bewusst. „Es ist natürlich sehr teuer und schwierig für junge Familien, sich hier anzusiedeln oder zu bleiben.“ Nächstes Jahr startet daher ein Ortsentwicklungsprozess.
Fakten: Der Preis ist heiß
Bauen: Am günstigsten baut man im Bezirk Waidhofen/Thaya: 33,7 Euro kostet 2018 im Schnitt ein Quadratmeter Baugrund. Teuerstes Pflaster ist der Bezirk
Mödling mit 358,3 Euro pro Quadratmeter.
Hotspot: Exklusiv ist es in Perchtoldsdorf. Im Mittel kostete 2017 ein Quadratmeter Baugrund 788,75 Euro. 2017 gab es dennoch 235 Immo-Transaktionen.
Reserve: 18.000 Hektar Bauland liegen in NÖ „brach“. 100 Hektar wurden in den vergangenen zwei Jahren aktiviert.