Chronik/Niederösterreich

Das Duell der beiden Stadtplätze

"Es ist für mich jedes Mal eine Freude in diese Stadt zu kommen." Es sind nicht Urlaubsgefühle, die die Unternehmerin Barbara Brandner aus Wallsee mit gefülltem Korb mitten im Laden der "Hoflieferanten" beschreibt. Termine bei ihrer Physiotherapeutin nutze sie vielmehr, um in Waidhofen auf Einkaufstour zu gehen.

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Tatsächlich ist es in der "Stadt der Türme" gelungen, das Image vom Ausflugs-städtchen zur pulsierenden Drehscheibe im Ybbstal zu wandeln. Noch vor 15 Jahren war Tristesse angesagt. Viele Geschäfte wurden aufgegeben, die Frequenz in der Stadt nahm dramatisch ab. "Die Spirale hat sich ins Positive gedreht", sagt Hans Stixenberger. Kein anderer als der pensionierte Stadterneuerer, Biobauer und Unternehmer könnte den Relaunch vom blutleeren Altstadtgemäuer zum quicklebendigen Stadtkern besser schildern. 1992 eröffnete Stixenberger mit fünf Biobauern den Shop der "Hoflieferanten". Heute vermarkten sie Waren von 50 Biolieferanten in drei Filialen in Waidhofen und Steyr.

Stadtplätze

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Waidhofen ist die Stadt mit den zwei Hauptplätzen. Der Obere und der Untere Stadtplatz rittern um die Gunst der Konsumenten. Die zwei Plätze, überwacht vom Rathausturm und gesäumt von stolzen Stadthäusern, beherbergen die meisten der 120 Geschäfte und Gastro-Betriebe in der City. Dutzende verwinkelte Gassen und Durchgänge sorgen für Flair. Große Tore geben Blicke in geheimnisvolle Höfe frei. Dahinter liegen Stadtgrätzl, in denen es nicht pulsiert. Dort findet man auch brach liegende Häuser und leere Shops.

Ein Flaggschiff und bestes Beispiel für die Revitalisierung mittelalterlicher Bausubstanz ist die "Alte Post" am Unteren Stadtplatz. Eine weitsichtige Unternehmerin war hier am Werk. Ein Weinlokal, die elegante Boutique, dazu ein Fitnessstudio und eine Reihe von Praxen verschiedener Therapeuten sind hier zu finden. Verschlungene Stiegen und ein malerischer, mit Glas bedeckter Hof wecken die Entdeckungslust. "Ich möchte nirgendwo anders arbeiten. Wir sind hier herinnen wie eine Familie", versichert Floristin Theresia Streißelberger.

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Das "Schalk-Haus" vis-a-vis hat der junge Frisör Adnan Morina gekauft, renoviert und hier Geschäft und Wohnung eingerichtet. "Extrem dicke Mauern, die Sanierung war nicht ohne. Doch jetzt ist die Lebensqualität unvergleichlich", schwärmt er. Die Erdgeschoße von gleich zwei Häusern hat Innenarchitekt Harald Schachinger am Oberen Stadtplatz gemietet. Mit vier Mitarbeitern führt er Designer-Möbel und Lampen. "Unsere Kunden kommen aus ganz Österreich. Das gefällige Stadtambiente entzückt alle", erzählt er.

Manko

Als Manko beklagen die Waidhofener, dass auf beiden Plätzen keines der urigen Wirtshäuser überlebt hat. Junge Pubs, Pizza-Wirte und die drei alteingesessenen Konditoreien Piaty, Erb und Hartner bemühen sich um besten Ersatz. Jetzt füllen sich ihre Schanigärten wieder mit Leben. Auch die Nachtschwärmer kommen auf ihre Kosten. Wenn die Cocktailbar "Unique" zu später Stunde sperrt, öffnet gegenüber um 4 Uhr Früh das "Cappuccino". Hier ist Nachfeiern oder Frühstück angesagt.

Historisches gerettet
Vor mehr als einem Jahrzehnt begann Waidhofens Stadtführung, in einen intensiven Dialog mit den Hausbesitzern in der Altstadt zu treten. So gelang es, dass großteils Private 17 historisch repräsentative und zum Teil sehr große Objekte an verschiedenen Punkten des Oberen und Unteren Stadtplatzes saniert und und je nach Möglichkeit modern umgebaut haben. Kosten von 300.000 Euro bis weit über eine Millionen Euro wurden in manche Liegenschaft investiert. Nur so ist es möglich, dass nun in den Gewölben junge dynamische Mieter einziehen. 120 Gewerbebetriebe und Dienstleister erfüllen den Stadtkern mittlerweile mit Leben. Workshops, Stammtische für Hausbesitzer, Exkursionen sowie fachmännische Begleitung durch Planer und Architekten wurden organisiert. Allein im Vorjahr waren 15 Delegationen aus Österreich und Deutschland zu Gast, um vom Know-how der Waidhofener zu profitieren. Das ansässige junge Architektenteam W30, das für ein halbes Dutzend Umbauten verantwortlich zeichnet, gibt seine Erfahrungen an die Gäste weiter. Mittlerweile gibt es auch eigene Prospekte mit touristischen Angeboten für dieses Zielpublikum.