Aus dem Stand heraus Hochsprung-Staatsmeister
Von Lisa Rieger
Es war Ende des Schuljahres, und im Sportunterricht war Hochsprung an der Reihe. Als der 17-jährige Ben Henkes drankam, wussten alle bereits, dass er sehr sportlich ist und wohl ein hohes Limit schaffen würde. Was dann jedoch passierte, damit hatte niemand gerechnet: Mit herkömmlichen Sportschuhen sprang er über 1,90 Meter. Seine Klassenkameraden grölten. Und der Turnlehrer Wolfgang Braunauer begriff sofort, dass das außergewöhnlich ist.
Bei einem Probetraining gelang es Henkes wenige Tage später auf Anhieb, die Hürde für die Staatsmeisterschaften (1,70 Meter bei U18) zu meistern. Im dritten Anlauf sprang er sogar zwei Meter und qualifizierte sich damit für die U18-Europameisterschaften in Györ, Ungarn. „So etwas hat es in Österreich noch nie gegeben“, sagt Helmut Baudis, Generalsekretär des Österreichischen Leichtathletik Verbandes (ÖLV). Vielleicht sogar weltweit.
Der 1,96 Meter große Bursche aus Brunn am Gebirge (Bezirk Mödling) spielt professionell Handball, seit er neun Jahre alt ist, viel Sport gehört also schon lange zu seinem Alltag. Dass es ihm aber als einzigem Österreicher gelingen würde, sich für die EM zu qualifizieren – ohne jegliches professionelle Training – war dann doch unerwartet für ihn. „Und wurde ausgiebig mit meinen Freunden gefeiert“, sagt der Gymnasiast.
Anfang Juli setzte sich das Sommermärchen fort. Bei den U18-Staatsmeisterschaften in Linz gelang ihm das Unglaubliche: Er wurde Erster. „Ich hatte in der Zwischenzeit nur zwei professionelle Trainings absolviert“, meint Henkes verblüfft, der auch erst die Regeln des Sports überhaupt lernen musste. Nach nur weiteren vier Trainingseinheiten ging es dann am 5. Juli weiter nach Györ zur EM. „Eine gewisse Grundnervosität war schon da. Andererseits hatte ich keinerlei Druck. Deswegen hat es auch Spaß gemacht“, fährt das Ausnahmetalent fort, das von einem Bus voller Fans begleitet wurde. Seine Freunde skandierten: „There’s only one Ben Henkes.“ Auch in Györ gelang es ihm, die Erwartungen zu übertreffen. Mit der ÖLV-Nationaltrainerin Inga Babakova hatten sie 1,95 Meter als Ziel festgesetzt. Henkes übersprang dies sogar noch um einen Zentimeter und erreichte damit Platz 17 bei der EM.
„Großes Potenzial“
„Er hat großes Potenzial. Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt. Er muss jetzt mit systematischem Leichtathletik-Training beginnen, dann ist sicher viel drinnen. Wenn er ohne Training aus dem Stegreif zwei Meter springen kann, sind auch 2,20 Meter drinnen“, sagt Baudis. Es gelte nun, das richtige Krafttraining zu absolvieren, die Technik und den Anlauf zu verfeinern. „ Hochsprung ist eine der schwächeren Disziplinen in Österreich. Es gibt einen anderen Burschen, der schon länger trainiert und 1,90 Meter gesprungen ist“, fährt er fort. Nationaltrainerin Babakova, die selbst Hochsprung-Weltmeisterin ist, freut sich, nun vielleicht jenen Spezialisten gefunden zu haben, auf den sie seit Beginn ihrer Tätigkeit in Österreich 2016 gewartet hat.
Und den 17-Jährigen hat bereits der Eifer gepackt. Vergangene Woche hat er sogleich mehrere Trainings absolviert und am Samstag an einem Probewettkampf teilgenommen. „Jetzt möchte ich so oft wie möglich trainieren“, sagt er. Wie es mit Handball weitergeht, überlegt er noch. Nächster Hochsprung-Fixpunkt ist jedenfalls die Staatsmeisterschaft der allgemeinen Klasse (ohne Alterslimit, Anm.) in zwei Wochen.
Der Sport in Zahlen
Weltrekord
Den Weltrekord bei Männern hält seit 1993 der Kubaner Javier Sotomayor. Er sprang 2,45 Meter. Gejagt wird dieser Rekord derzeit von Mutaz Essa Barshim aus Katar. 2014 schaffte er 2,43 Meter.
Landesrekord
Die österreichische Bestleistung beträgt 2,28 Meter – 1986 von Markus Einberger aufgestellt.
Versuche
Jedem Sportler stehen bei jeder Höhe drei Versuche zu. Reißt er die Latte zum dritten Mal, scheidet er aus.