Atemlos durch die Weltmeere: Der Mann, der mit Haien kuschelt
Von Lisa Rieger
Das Riffhaiweibchen kam direkt auf ihn zu. Sie war zwei Meter lang. Redl beschloss abzutauchen. Dann drehte er sich auf den Rücken – und schwamm Bauch an Bauch mit dem Hai. So lange, bis ihm die Luft ausging. „Das war die beste Interaktion mit einem Lebewesen jemals“, erzählt Christian Redl.
Der 43-Jährige ist Apnoe-Taucher (dabei atmet der Taucher vor dem Abtauchen ein und nutzt im Gegensatz zum Gerätetauchen für den Tauchgang nur diesen einen Atemzug). Er hat bisher zehn Weltrekorde aufgestellt – er tauchte dabei in die Tiefe, schwamm Strecken unter Eis, bewegte sich, ohne Luft zu holen, unter Höhlen fort und ging als Erster auf über 5000 Metern Höhe – im Gokyo See in Nepal – auf Tauchstation. Redl ist kaum etwas zu extrem. Und wenn man im österreichischen Fernsehen eine Wasserleiche sah, dann war es auch meistens er.
Begonnen hat alles, als Redl sechs Jahre alt war. Sein Onkel hat dem Korneuburger Flossen, Schnorchel und Maske geschenkt. Den Sommer hat er dann am Neufelder See in NÖ verbracht. Da hat ihm sein Onkel gezeigt, wie man auf fünf Meter hinuntertaucht. „Da hab entdeckt, welches Abenteuer es ist, die Welt unter Wasser zu erkunden“, erzählt der Extremsportler. Zehn Jahre später schaute er den Film „Im Rausch der Tiefe“, wo sich zwei Taucher gegenseitig die Weltrekorde abjagen. „Da begann ich mit dem Freitauchen und seitdem ist es mein Leben.“
Zu Beginn stellte es sich jedoch als Herausforderung dar, überhaupt das Equipment dafür zu bekommen. „Die Apnoeflossen mussten wir dann in Italien kaufen“, sagt Redl. Vom Training hatte er keine Ahnung. Mit einem zweiten Interessierten hat er trotzdem begonnen zu experimentieren.
Zwei Freunde verloren
„Alex ist nach einem Jahr beim Tauchen in der Karibik tödlich verunglückt. Kurz darauf ist noch ein zweiter Freund gestorben“, erinnert er sich. „Da dachte ich: Na bumm, das ist schon ein gefährlicher Sport. Aber ich war schon viel zu tief drinnen in der Sucht“, lässt er die damaligen Gedanken Revue passieren. Bei einem italienischen Taucher absolvierte er dann die Ausbildung zum Apnoe-Konstruktor. „Wenn man weiß, wie es geht, ist es einer der sichersten Sportarten“, erklärt Redl.
Und: „Es ist eine Sportart, bei der man innerhalb von einem halben Tag doppelt so gut werden kann“, lässt der Tauchlehrer wissen. Man müsse lediglich die richtige Atemtechnik haben, unter Wasser entspannt sein und über die mentale Stärke verfügen, den Atemreiz unter Wasser zu unterdrücken.
Redl selbst sucht stets das Abenteuer. „Ich könnte auch im Hallenbad Rekorde machen. Aber was hab ich erlebt, außer dass ich die Fliesen am Boden gezählt hab?“, erklärt Redl, der im Leistungssportzentrum Südstadt und im Neufelder See trainiert.
Diese Einstellung hat ihn bereits an die verschiedenesten Orte auf der Welt geführt. Unter anderem zum Nordpol, nach Französisch-Polynesien, auf die Bahamas, nach Mexiko. Sechs seiner zehn Weltrekorde stellte er im Streckentauchen unter Eis auf. Dieses sei mental herausfordernder, das Tieftauchen körperlich.
Mayaskelett gefunden
„Ich bin ein bekennender Warmduscher. Deswegen habe ich nach Möglichkeiten gesucht, in wärmeren Gefielden zu tauchen“, erzählt Redl. In Mexiko existiert das größte Höhlensystem. „Vom Modell her funktioniert es genauso wie unter Eis. Nur dass das Wasser wärmer ist“, erklärt er. Beim ersten Weltrekordversuch stieß er mit seinem Team zufällig auf Teile eines Mayaskeletts. „Während ich tauchte, hat ein Archäologe den Fund analysiert“, erzählt er. Diese Abenteuer würden seinen Job ausmachen.
Angst kennt er nicht. „Das wäre schlecht, weil es etwas Limitierendes ist“, ist er überzeugt. Er kalkuliert im Voraus, was schief gehen kann und versucht Gegenmaßnahmen zu finden. Sonst sagt er Projekten nicht zu. Dennoch gab es einen Moment, der ihn bangen ließ. Er war auf 15 Metern Tiefe zu einem Buckelwal getaucht und blickte ihm da von 20 Zentimetern Entfernung entgegen.
„Er schlief, aber als ich auftauchen wollte, weckte ich ihn mit einer kleinen Welle von meiner Flosse auf. Er schlug die Augen auf, die größer als mein Kopf waren. Wir sind beide erschrocken“, erinnert er sich. Der Wal stieß einen Ton aus, der eine Druckwelle verursachte und Redls Herzrhythmus störte. Er kann sich nicht erinnern, wie lange es gedauert hat, bis wieder alles in Ordnung war, nachdem er aufgetaucht war.
Als Wasserleiche im Fernsehen
Neben seinen Projekten ist Redl immer wieder als Stuntman im Einsatz – bisher etwa bei Medikopter, Bergdoktor oder Soko Donau. „Leben könnte ich davon nicht. Mein Beruf sind die Freitauchkurse, Mentalseminare und Vorträge“, sagt er.
Nächsten Februar steht ein neuer Weltrekordversuch an: Er will sich den Tieftauchrekord zurückholen und muss die 70-Meter-Hürde überwinden. In derselben Woche veranstaltet er am Weißensee in Kärnten auch eine Eishockey-Weltmeisterschaft unter Wasser.
Wie viele Rekorde er sammelt, sei ihm mittlerweile egal: „Die sind nur fürs Ego“. In Zukunft möchte er damit aber als „Botschafter der Ozeane“ fungieren. Er habe gesehen, wie sich die Meere in den vergangenen 20 Jahren verändert haben und möchte Aufmerksamkeit darauf lenken, was verändert werden muss.
Besonders am Herzen liegt ihm der Einsatz gegen das massive Haisterben. "Viele Arten sind de facto schon ausgestorben. Und wenn eine Nahrungskette aus fünf Gliedern besteht und man rottet das oberste aus, dann stirbt die komplette Kette", sagt er.