Chronik/Kärnten

Freispruch in Kärnten: Mann wollte Asyl und erfand Terror-Mitarbeit

Ein 41-jähriger türkischer Staatsangehöriger ist am Montag am Landesgericht Klagenfurt im Zweifel freigesprochen worden. Er musste sich wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Michaela Sanin verantworten.

Die Anklage stützte sich auf seine eigenen Aussagen im Asylverfahren, wonach er über Jahre für die PKK in seinen Mantel eingenähte Geheimnachrichten überbracht hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Laut Staatsanwältin Ines Küttler soll er als Kurier zwischen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Progressiven Volkseinheit der Türkei in Berlin (HDB) tätig gewesen sein. Die Anklage gründete sich auf die eigenen Aussagen des Türken, die er in einem Pflichtverhör diesen März getätigt hatte. 

Im Mai 2021 war der 41-Jährige aus der Türkei geflüchtet und wollte über Serbien, Rumänien und Österreich in die Schweiz reisen. In Österreich wurde er festgenommen und "erfand", wie er nun sagt, die Geschichte über die Mitgliedschaft bei der PKK, um bessere Chancen auf Asyl zu haben.

Geschichte für Asyl erfunden

Der Verteidiger des Angeklagten, Christian Kleinszig, versuchte dessen Motiv zu erläutern: "Er wollte Asyl und brauchte eine Geschichte, die glaubhaft macht, dass er, wenn er in die Türkei zurückkäme, Folter und sonstigen menschenunwürdigen Übergriffen ausgesetzt sei". Allerdings hätte er einen wichtigen Aspekt nicht berücksichtigt: "Er wusste nicht, dass die PKK als terroristische Organisation in die Liste der EU aufgenommen wurde" und eine Beteiligung international strafbar sei. Wenn die PKK nicht auf der Liste der Terrororganisationen stünde, wäre die Geschichte aufgegangen.

Als ihm bewusst wurde, welche strafrechtlichen Auswirkungen seine Angaben hatten, widerrief der Mann, der sich als Kurde bezeichnet, seine Geschichte. Er sei im Sommer als Schafhirte und im Winter als Schweißer tätig gewesen. Da er für seine Arbeit nicht genug Geld verdiente, beschloss er mit einem Cousin zweiten Grades und zwei ihm unbekannten Personen die Türkei zu verlassen. Dafür bezahlte er einem Schlepper rund 7.000 Euro. 

"Warum brauche ich einen Schlepper, wenn ich in der Türkei nichts zu befürchten habe und legal ausreisen kann?", wollte die Staatsanwältin vom Angeklagten wissen. Seine Antwort: "Um die Türkei verlassen zu können, braucht man ein Visum", das sei wiederum an gewisse Voraussetzungen geknüpft und kompliziert gewesen. Die Sache mit dem Schlepper sei einfacher gewesen.

Gutachten

Die Verteidigung legte das Sachverständigen-Gutachten des Türkei-Experten Günter Seufert vor, der auch als Zeuge aussagte. Für ihn würden große Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschichte bestehen. Zum einen sei es aufgrund der damaligen Lage in der Türkei nicht nachvollziehbar, dass regelmäßig einnmal im Monat ein Nachrichten-Austausch stattfinden musste.

Auch hätte es dadurch keinen politischen oder militärischen Vorteil gegeben. Zum anderen hätte der Türke keine Namen gekannt, was aufgrund dieser langen Tätigkeit nicht nachvollziehbar wäre und auch gefährlich angesichts der vielen Spitzel. Der Angeklagte hätte Bilder und Textnachrichten in sozialen Medien weitergeleitet, die zwar Sympathien für die PKK erkennen ließen, aber "nicht als Belege dafür dienen können, dass er für die PKK tätig war oder sich in besonderem Maße den Aktivitäten der PKK verpflichtet gefühlt hat". Außerdem wäre das "für einen Kurden kein außergewöhnlich starkes Engagement für die PKK". 

2016 gab es für den 41-Jährigen in der Türkei eine Verurteilung wegen Propaganda für die PKK, in Österreich gilt er als unbescholten.

Ein österreichischer Beamter, der den Türken als Beschuldigten einvernommen hatte, sagte vor dem Schöffengericht aus, dass der 41-Jährige sehr plausibel und immer zügig geantwortet hätte, so dass er keinen Zweifel an seiner Geschichte gehabt hätte. Aus seiner Sicht würde es auch wenig Sinn machen, einen Schlepper zu bezahlen, wenn man nicht der PKK oder HDB angehören würde. Auch die Staatsanwältin hatte keine Zweifel, dass "sich die Geschichte im Groben so zugetragen" hatte.

Für Küttler stellt sich der Sachverhalt so dar: Der Angeklagte hatte keine Zeit mehr für ein Visum, er musste sofort fliehen, weil er vom türkischen Geheimdienst erwischt wurde und nun als Spitzel tätig sein hätte sollen, aber Angst hatte, jemanden zu verraten. Seufert entgegnete, dass es in der Türkei viele Fälle gebe, in denen Verwandte ihre Ersparnisse zusammenlegen würden, um die Ausreise der jungen Männer zu ermöglichen: "Man erhofft sich, dass es zu Überweisungen ins Heimatland kommt oder in weiterer Folge eventuell zur Kettenmigration".

Geständnis widerrufen

In seinem Schlussplädoyer verwies Verteidiger Kleinszig darauf, dass es außer der selbstbelastenden eigenen Aussage des Angeklagten kein einziges Beweisergebnis gäbe, dass der Türke tatsächlich für die PKK tätig war. Dieses Geständnis wurde jedoch widerrufen und existiere demnach nicht mehr. 

Der Sachverständige Seufert hätte als Experte plausibel dargelegt, warum die Geschichte völlig unglaubwürdig sei. Für das Schöffengericht war es nachvollziehbar, dass sich der Angeklagte durch falsche Angaben Asyl erschleichen wollte, er wurde im Zweifel freigesprochen. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.