Attentate verändern die Welt
Von Georg Markus
Diesmal also in Japan. Wieder hat ein Attentat das Leben eines Politikers ausgelöscht. Doch während es in den USA, im Nahen Osten und auch in Europa im Lauf der Geschichte immer wieder politisch motivierte Mordanschläge gab, wurde in Japan bis zum vergangenen Freitag erst ein Politikermord registriert: Am 12. Oktober 1960 war der Sozialistenchef und Oppositionsführer Asanuma Inejirō von einem 17-jährigen Rechtsextremisten mit einem Samuraischwert vor laufenden TV-Kameras erstochen worden. Der Attentäter nahm sich in seiner Zelle das Leben.
Und jetzt Ex-Premierminister Shinzo Abe.
Es ist die besondere Tragik, dass die Mehrheit der bei Attentaten ums Leben gekommenen Politiker aufrechte Demokraten waren. Tyrannen lassen sich besser schützen. So wurden auf Hitler mehr als 30 Anschläge verübt, doch er überlebte sie alle.
Die USA verloren gleich vier ihrer Präsidenten durch Mord: Abraham Lincoln, der sich für die Abschaffung der Sklaverei und für die Gleichberechtigung der Rassen einsetzte, wurde 1865 in einer Theatervorstellung von dem fanatischen Schauspieler John Wilkes Booth erschossen. Durch Pistolenschüsse starben auch die US-Präsidenten James Garfield und William McKinley.
Die Welt hielt den Atem an, als John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dallas/Texas den Schüssen Lee Harvey Oswalds zum Opfer fiel. Der Hintergrund der Tat wurde nie restlos geklärt.
Auch Bruder Robert
Vier Jahre später starb Kennedys Bruder Robert im Wahlkampf für das Präsidentenamt durch die Schüsse des Jordaniers Sirhan Bishara Sirhan. Ronald Reagan überlebte 1981 das Attentat eines 25-jährigen Psychopathen, wobei „der Präsident wesentlich schwerer verletzt war, als offiziell bekannt gegeben wurde“, wie der damalige Außenminister Alexander Haig Jahre später erklärte.
In der langen Reihe der politischen Opfer in den Vereinigten Staaten findet man auch Martin Luther King: Als der schwarze Bürgerrechtskämpfer 1968 während einer Rede in Memphis/Tennessee getötet wurde, waren gewaltige Rassenunruhen die Folge, Dutzende Menschen kamen dabei ums Leben.
Sadat und Rabin
Dramatisch ist auch die Bilanz unter den Politikern des Mittleren und Nahen Ostens: 1951 fiel Jordaniens König Abdullah den Schüssen eines Geisteskranken zum Opfer, 1975 wurde König Feisal von Saudi-Arabien von seinem Neffen ermordet. 1981 schossen Soldaten der eigenen Armee auf Ägyptens Präsidenten Anwar as-Sadat. Er büßte seine Friedensbemühungen ebenso mit dem Leben ein wie Israels Premier Jitzhak Rabin, der 1995 von einem jüdischen Rechtsextremisten getötet wurde. Welche Fortschritte hätten im Nahen Osten erreicht werden können, hätten Sadat und Rabin länger gelebt.
Gleich drei indische Politiker starben gewaltsam: Staatsgründer Mahatma Gandhi wurde 1948 von einem fanatischen Hindu erschossen, Ministerpräsidentin Indira Gandhi war 1984 das Opfer eines ihrer Leibwächter. Und sieben Jahre später wurde ihr Sohn und Nachfolger Rajiv Gandhi ermordet.
Schwedens Ministerpräsident Olof Palme wurde 1986 nach einem Kinobesuch in Stockholm erschossen. Grausam auch der Tod des italienischen Regierungschefs Aldo Moro, dessen Leiche 1978 im Kofferraum eines Autos gefunden wurde, nachdem er von Mitgliedern der „Roten Brigade“ entführt worden war.
Attentat auf den Papst
Im Vatikan verübte 1981 der türkische Rechtsextremist Ali Agca ein Attentat auf den im offenen Papamobil über den Petersplatz fahrenden Papst Johannes Paul II. und verletzte ihn lebensgefährlich. Ein Untersuchungsausschuss im Parlament in Rom kam zu dem Schluss, der Anschlag sei im Auftrag der Sowjetunion organisiert worden, weil der Papst für Polens antikommunistische Gewerkschaft Solidarność eingetreten war.
Schon Julius Caesar
Politische Morde gibt es, seit es Politiker gibt. Griechische Tyrannen wurden Opfer ihrer Herrschsucht, und den römischen Imperator Julius Caesar stachen seine engsten Vertrauten nieder.
Es war ein Österreicher, der dem wohl folgenschwersten Mordanschlag erlag: Das Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo durch den serbischen Studenten Gavrilo Princip löste den Ersten Weltkrieg aus und veränderte Europas Landkarte. Ein einzelner Täter hat in Sarajewo die Welt verändert.
Politische Ziele ließen sich in unseren Breiten durch Attentate nur selten verwirklichen. Auch die Ermordung des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß am 25. Juli 1934 brachte nicht den von den nationalsozialistischen Mördern erhofften Sturz der Regierung. Die Putschisten konnten vielmehr gefangen genommen werden. Zum Ende der Ersten Republik kam es dann knapp vier Jahre später.
Nittel, Wagner, Zilk
In den Geschichtsbüchern der Zweiten Republik sind drei Attentate auf Politiker vermerkt: Am 1. Mai 1981 töteten palästinensische Terroristen den Wiener Stadtrat Heinz Nittel, 1987 wurde Kärntens Landeshauptmann Leopold Wagner durch die Schüsse eines ehemaligen Schulkollegen schwer verletzt. Und 1993 verlor Bürgermeister Helmut Zilk durch den Anschlag des Briefbombenattentäters Franz Fuchs zwei Finger der linken Hand.
Politiker leben zweifellos gefährlich.