Chronik/Burgenland

Zahl der illegalen Migranten nimmt enorm zu

Es ist kurz nach 9 Uhr morgens. In der Grenzbezirksstelle Neusiedl am See ist es ruhig. Nur eine Handvoll Leute befindet sich in dem unscheinbaren Gebäude: Es sind Polizisten aus der Polizeiinspektion Kittsee AGM, die der KURIER zum Interview trifft. AGM steht für "Ausgleichsmaßnahmen", jene Kontrollen, die die Polizei seit dem Wegfall der Grenzen im Hinterland durchführt und die seit Monaten hohe Aufgriffszahlen an illegalen Grenzgängern zur Folge haben.

Wenige Stunden später ist es mit der Ruhe vorbei. In der nordburgenländischen Gemeinde Gols wurden 14 "Illegale" aufgegriffen und für die weiteren Amtshandlungen in die Grenzbezirksstelle gebracht.

An diesem Punkt enden im Normalfall die Presse­mitteilungen der Sicherheitsdirektionen, die von den Medien in eine Kurzmeldung verpackt werden oder es bei spektakuläreren Aufgriffen zu einer Schlagzeile schaffen.

Erstversorgung

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Unbemerkt vom Fokus der Öffentlichkeit beginnt jetzt für die Polizisten vor Ort die lange, harte und oft auch emotional aufrüttelnde Arbeit. "Im Durchschnitt brauchen wir für jeden Aufgegriffenen drei bis vier Stunden. Wir müssen einen Dolmetsch organisieren, sie befragen, registrieren, und wir versuchen herauszufinden, über welche Route sie geschleppt wurden", erklärt Chefinspektor Wolfgang Ritter, Kommandant der Polizeiinspektion Kittsee.

Priorität hat für die Polizisten aber die Erstversorgung. "Sie bekommen Essen, Getränke, Kleidung und ein Bett zum Schlafen. Das ist für die meisten mehr als sie zu Hause hatten", erzählt Ritter. Man könne nicht einfach die Polizeiarbeit runterspulen. "Diese Menschen sind schwer traumatisiert. Das Wort Polizei ist für sie immer negativ behaftet. 95 bis 98 Prozent von ihnen haben einen Fluchtgrund, bei dem es meist ums blanke Überleben geht", sagt der Chefinspektor. "Wenn sie tagelang auf der Flucht waren, lassen wir sie nach der Erstversorgung erst einmal schlafen und beginnen dann mit der Befragung", sagt Ritter und betont, dass man Menschenrechte in der Praxis auch vollziehen muss. "Ganz schlimm ist es für mich immer, wenn Babys oder Kleinkinder dabei sind. Als Vater geht einem das schon unter die Haut", erzählt Abteilungsinspektor Friedrich Dürr.

Junge Männer

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In den vergangenen Monaten hatte man es aber vor allem mit Männern zwischen 18 und 35 Jahren zu tun, die aus Afghanistan, Pakistan und Somalia kommen. Allen gemein ist der Umstand, dass sie aufgegriffen werden wollen, um einen Asylantrag zu stellen. "Es gab schon Fälle, wo Flüchtlinge mitten im Ortsgebiet darauf warteten, dass die Polizei sie holt", sagt Revierinspektorin Marin Gröller.

Die Polizisten sprechen sich auch gegen das Vorurteil aus, dass die meisten Flüchtlinge kriminell seien. "Die kommen nicht vorrangig, um uns etwas wegzunehmen und dann abgeschoben zu werden. Die wollen bleiben", sagt Ritter, der die Arbeit mit den Flüchtlingen als Gratwanderung zwischen "Einfühlungsvermögen und Abstumpfen" bezeichnet. Man müsse die Schicksale der Menschen an der Polizeitür abgeben, wenn man nach Hause geht, "sonst würde die psychische Belastung auf Dauer zu groß werden."

Enge Kooperation mit Ungarn

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Wir hatten im Vorjahr im Bezirk Neusiedl am See 665 Auf­griffe. Heuer waren es im ersten Halbjahr bereits an die 550", sagt Bezirkshauptmann Martin Huber. Sein Bezirk ist im Burgenland am stärksten betroffen. Deshalb wurden die gemischten Streifen mit den unga­rischen Polizisten intensiviert und die Streifen im Bezirk selbst verstärkt.

Auf Bundesebene wurde zwischen Österreich und Ungarn ein 5-Punkte-Programm festgelegt, wobei die folgenden Punkte zwischen dem Nationalen Büro für Ermittlungen, Abteilung für illegale Migration in Budapest (NNI) und dem Bundeskriminalamt umgesetzt werden: Einrichtung einer österreichisch-ungarischen Analyse- und Ermittlungsgruppe, die aktuell kriminalpolizeiliche Informationen austauscht. Erstellung eines bilateralen Monatsberichtes. Start des bilateralen Projektes FIMATHU zur Übermittlung von kriminalpolizeilich relevanten Daten von Aufgriffen und zum Kampf gegen die internationale Schlepperkriminalität.

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