Chronik/Burgenland

"Wir sind wie eine Familie"

Acht Kilometer südlich der Burg Güssing liegt die Gemeinde Neustift. 505 Einwohner zählt das idyllische Dorf, die Häuser sind auf eine hügelige Streusiedlung verteilt. Wie in vielen anderen Gemeinden des Südburgenlandes hat Neustift mit Abwanderung zu kämpfen. Doch das kleine Dorf hat auch große Vorbildwirkung.

2011 musste die in den 1950er Jahren gebaute Volksschule schließen. "Wir hatten nur mehr sieben Kinder in der Schule", schildern Bürgermeister Franz Kazinota (SPÖ) sowie sein Vize und Parteifreund Gerald Weber. Doch sie haben nicht aufgegeben. Verfallen lassen wollten sie das Gebäude nicht. Der dörfliche Charakter des Orts sollte erhalten bleiben.

Doch was tun? Die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft – kurz OSG- sprang ein und kaufte das Haus samt Grund. OSG-Geschäftsführer Alfred Kollar erinnert sich: "Als ich die alte Schule zum ersten Mal von Innen gesehen habe, hab ich nur gedacht: ’Was tu ich da’.

Es ist nicht das erste alte Gebäude, dass die OSG vor dem Verfall gerettet hat. "Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, leerstehende Häuser – darunter Wirtshäuser und Feuerwehrhäuser – vor allem im Südburgenland zu retten", erklärt Kollar. So war es auch in Neustift. Zehn Wohnungen hat die OSG in der Alten Schule geschaffen. Die 76-jährige Irene Draxler wohnt in einer davon. "Meine Kinder sind hier in die Schule gegangen. Dass ich einmal hier wohne werde, hätte ich nicht gedacht", schildert die Pensionistin. Ihre Nachbarin Gabi Jandrasics hat hier einst selbst die Schulbank gedrückt. "Wir sind wie eine Familie", schildern die Bewohnerinnen, die sich vor dem Haus zu einem Plauscherl einfinden.

Kommunikation

Rund 300.000 Euro hatte der Gemeinde der Verkauf der Alten Schule an die OSG eingebracht. Geld, dass wiederum in ein anderes Projekt investiert wurde. Denn als der Wirt 2013 in Pension ging, stand Neustift ohne Gasthaus da. Aber nur kurz. "Wir haben eine Umfrage gemacht und dabei stellte sich heraus, dass die Bewohner eine Kommunikationsstätte haben wollen", sagt Vizebürgermeister Weber. Gesagt, getan. Mit dem Verkaufserlös aus der Alten Schule hat die Gemeinde das Gasthaus gekauft und adaptiert. Laszlo Nemeth hat den Gastronomiebetrieb gepachtet. Eine Küchenhilfe aus dem Ort hat bei ihm Arbeit gefunden. Die Bewohner sind zufrieden. "An drei Tagen pro Woche treffen wir uns zum Kartenspielen", sagen Ewald Steiner und Johann Weber beim Bauernschnapsen in der Wirtsstube.

Das Wirtshaus ist aber noch mehr: Hier ist der Gemeindesaal untergebracht. Der Vizebürgermeister – im Brotberuf Polizist – animiert hier die Bewohner zur körperlichen Betätigung. "Angefangen haben wir 2011 mit der Rückenschule, jetzt treffen wir uns zur Gymnastik und zum Nordic Walken." Mitmachen darf jeder, "von der Schülerin bis zum Pensionisten."

Dorfbus

Und wer nicht per pedes unterwegs sein kann? "Für den haben wir den Dorfbus", sagt Ortschef Kazinota. Ehrenamtliche Mitarbeiter holen nicht nur die Jüngsten vom Kindergarten ab, sondern bringen auch die weniger mobilen Dorfbewohner zum Einkauf in die nächste Stadt. "Der Zusammenhalt der Einwohner in unserem kleinen Dorf ist groß", sagt der Bürgermeister stolz. Die Lebensqualität und das Engagement in der Gemeinde sei vermutlich der Grund, dass die Zahl der Dorfbewohner in etwa gleich geblieben ist.

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