Chronik/Burgenland

"Wann, wenn nicht jetzt?"

Im "Parlament", einem Lokal in Siegendorf, spiegeln sich die Machtverhältnisse des gegenüber liegenden Gemeindeamtes: Ein versprengter Schwarzer steht hinten im Lokal, vorne am großen Fenster stehen zwei ältere Herren aus dem roten Lager.
Gleichsam in der Auslage pflegte in den vergangenen Jahren auch Bürgermeister Gerhard Steier, SPÖ, zu sitzen. Statt sich in sein Büro zurückzuziehen, führte der seit 1996 amtierende Ortschef die Geschäfte lieber von der unmittelbar neben dem Rathaus-Eingang gelegenen Gemeindebücherei aus.

"Das verstehe ich auch als Dienstleistung, gerade als Kommunalpolitiker darf man sich nicht verstecken, sondern muss für die Bürger sicht- und erreichbar sein", fasst der 55-jährige Grandseigneur am Ende seiner kommunalpolitischen Karriere sein Credo zusammen. "Der Gerhard ist in Ordnung", tönt denn auch Volkes Stimme im "Parlament", nur aus dem Hintergrund kommt der Einwurf, Steier sei abgehoben.

Seit der Landtagswahl 2010 ist Steier nach Jahren im Nationalrat Erster Landtagspräsident. Im KURIER hatte er nach der Wahl seinen Rückzug als Bürgermeister angekündigt. "Das gebieten Anstand und Vernunft. Die Nachfolger sind alle um die 40 - wann, wenn nicht jetzt?"

Übergabe

Am Samstag macht Steier Platz für den 41-jährigen Rainer Porics. Der leitende Mitarbeiter der Arbeiterkammer Burgenland wird um 16 Uhr wohl von den 18 SPÖ-Gemeinderäten gewählt, auf die Stimmen der fünf VP-ler darf er nicht zählen. "Wir können als Schwarze nicht einen Roten wählen", sagt Oppositionschef Werner Jurkovits. Der Polizeibeamte will im Oktober 2012 bei der nächsten Bürgermeister-Direktwahl gegen Porics antreten. Auch wenn er sich keinen Illusionen hingibt: "Siegendorf war immer schon rot und wird auch rot bleiben".

So gesehen war Steier immer noch ein bisschen röter als seine Partei. Bei seiner ersten Direktwahl 1997 erreichte der frühere Lehrer 76,4 Prozent, bei der letzten im Jahr 2007 waren es 78,3 % - und stets war die Zustimmung zur Person größer als zur Partei.
Vielleicht auch deshalb, weil Siegendorf in den vergangenen 15 Jahren nicht schlecht gefahren ist. Er habe die Gemeinde mit fünf Millionen Euro Schulden übernommen, sagt Steier, kommen die rund 850.000 Euro aus dem Begas-Verkauf, sei Siegendorf schuldenfrei. Mit 166 Betrieben, knapp 950 Arbeitsplätzen und einer freien Finanzspitze von 715.400 Euro bei einem Budget von rund fünf Millionen Euro floriert der Grenzort mit seinen 2950 Einwohnern.

Eine steile Vorlage für den früheren Regionalliga-Kicker Porics, der den Ausbau von Schulen und Straßen vorantreiben will. Ob er wie Steier und dessen Vorgänger Walter Prior auch in der Landespolitik mitmischen will? "Das ist für mich kein Thema."