Steier: Mandatsvergabe "fragwürdig"
Von Thomas Orovits
Der am 31. Mai neu gewählte Landtag tritt am 9. Juli und damit zwei Wochen vor dem letztmöglichen Termin zur konstituierenden Sitzung samt Wahl der rot-blauen Regierung und des Landtagspräsidiums zusammen. Das hat Landtagspräsident Gerhard Steier (SPÖ) am Freitag verkündet – mit dem Zusatz "voraussichtlich". Denn Steier, der zunächst angesichts möglicher Proteste gegen Rot-Blau Sicherheitsfragen geklärt wissen wollte, holt noch ein Gutachten zur Zuweisung der Landesmandate ein. "Ich will Rechtssicherheit", sagte der Landtagspräsident im KURIER-Gespräch. Wahlrechtsexperten hätten die Vorgangsweise rund um die Mandatsvergabe als "fragwürdig" eingestuft, ein Verfassungsrechtler soll endgültige Klarheit bringen.
Gutachten
Anlassfall ist Gabriele Titzer aus Großhöflein, die aus dem Landtag fliegt. Titzer und der Eisenstädter Vizebürgermeister Günter Kovacs (beide SPÖ) hatten im Regionalwahlkreis Eisenstadt-Umgebung ein Mandat verfehlt, Kovacs zieht aber über die Landesliste wieder in den Landtag ein, obwohl er drei Plätze hinter Titzer gereiht ist. Der Grüne EU-Mandatar Michel Reimon sieht das als "Gesetzesbruch und Amtsmissbrauch". Übrigens sind auch die ÖVP-Abgeordneten Thomas Steiner und Georg Rosner weiter vorne gereihten Kandidaten vorgezogen worden. Da wie dort sind die Zustellungsbevollmächtigten der Parteien verantwortlich. Und diese haben auf Grundlage der Landtagswahlordnung korrekt gehandelt, sagen Verfassungsdienst und Landeswahlbehörde in getrennten Gutachten, die dem KURIER vorliegen (siehe Infokasten). Das seien interne Expertisen, er wolle eine Stimme von außen, begründet Steier das dritte Gutachten. Selbst wenn dieses Gutachten zu einem anderen Ergebnis käme, ist ein Gang von Titzer & Co. zum Verfassungsgerichtshof strittig. Laut Landeswahlbehörde ist eine Bekämpfung "nur im Wege einer Wahlanfechtung möglich". Ist dazu eine Person befugt? Verfassungsrechtler Heinz Mayer will das ad hoc nicht abschließend beurteilen, es würde jedenfalls "ein sehr schwieriger Weg".
LBL-Schützenhilfe?
Ob auch die Wahl der Regierung schwierig wird, ist offen. Dass der Frust von Steier und dem langjährigen Landesrat Peter Rezar, die künftig nur einfache Abgeordnete sind, und der aus dem aufmüpfigen Bezirk Oberpullendorf kommenden Klaudia Friedl gegen Rot-Blau ausschlagen könnte, wird in der SPÖ nur für fast ausgeschlossen gehalten. SPÖ und FPÖ halten bei 21 von 36 Mandaten, 19 sind nötig.
Für Manfred Kölly vom Bündnis Liste Burgenland ist derzeit offen, ob die Regierung bei der Wahl mit den zwei LBL-Stimmen rechnen könne, aber er verhandle unabhängig davon mit SP-Landeshauptmann Hans Niessl über inhaltliche LBL-Forderungen. Etwa: Kölly will nur noch einen Gemeindeverband und er kann sich die Zusammenlegung von Gemeinden, aber auch von Bezirksgerichten und Bezirkshauptmannschaften vorstellen.
In der "Causa Titzer" geht‘s um Zuweisung der Restmandate, die in der Landtagswahlordnung (§ 83, 85) geregelt ist. Neben zwölf Bezirks-Grundmandaten hatte die SPÖ drei Restmandate, sie gingen an Ewald Schnecker, Doris Prohaska und Günter Kovacs. Laut Gutachten ist entscheidend, dass die drei Restmandate frei waren, weil die Erstplatzierten auf der Landesliste schon Grundmandate hatten. Dann aber kann der "zustellungsbevollmächtigte Vertreter einer Partei (...) binnen vier Tagen auch ein anderes auf dem Landeswahlvorschlag enthaltenes Ersatzmitglied zur Berufung auf das frei gewordene Mandat bekannt geben".