Chronik/Burgenland

"Spitzenvereine haben geblutet"

KURIER:Wenn man sich für eine zweite Amtsperiode bewirbt, können noch nicht alle Aufgaben erledigt sein?Gerhard Milletich: Es gibt noch sehr viel zu tun. In den vergangenen vier Jahren standen die Vereine durch abgabenrechtliche Prüfungen von Gebietskrankenkasse und Finanz unter Druck. Die meisten Spitzenvereine des Landes haben geblutet, aber ich glaube, dass diese Phase überstanden ist.

Jetzt sind die Vereine im Bild?Jetzt ist allen Funktionären bewusst, wie die Abrechnung zu erfolgen hat. Früher wurde ziemlich willkürlich geprüft und beurteilt.

Die nächste Hürde wartet. Ja, die Registrierkassenpflicht. Ich glaube, dass sich der Gesetzgeber auf Bundesebene überhaupt keine Gedanken über die Handhabung gemacht hat.

Jeder Verein mit Kantine braucht eine Registrierkassa?Fast jeder Verein ist betroffen, kaum einer bleibt beim jährlichen Barumsatz unter 7500 Euro. Ein noch größeres Problem als die Anschaffungskosten ist die Umsetzung. Auf Amateurplätzen gibt’s zwei oder drei Kantinen, in denen Freiwillige alle 14 Tage oder einmal im Monat aushelfen. Das ist nicht mit einem Gewerbebetrieb zu vergleichen, wo die Leute täglich an der Kassa stehen.

Sind die Vereine gewappnet? Sie werden es umsetzen müssen, weil der Gesetzgeber nach derzeitigem Stand keinen Spielraum lässt. Das ist wieder ein Prügel, der Vereinen vor die Füße geworfen wird. Es wird immer schwieriger, Funktionäre zu finden, die ehrenamtlich und unentgeltlich arbeiten.

Das gilt auch für Spieler, geschätzte 35 Prozent kommen aus dem benachbarten Ausland. Nach einem Anstieg in den letzten Jahren hat sich die Zahl zuletzt eingependelt. Es gibt in vielen Gemeinden zu wenige Kinder. Aber wir müssen trachten, dass es so viele Nachwuchsmannschaften wie möglich gibt. Das ist die große Herausforderung für Funktionäre und ihr Einsatz für den Erhalt der Vereine ist bewundernswert.

In der Politik wird gerade die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit diskutiert – im Fußball könnten viele Vereine ohne Slowaken und Ungarn den Spielbetrieb kaum aufrechterhalten?Na ja, es wäre zumindest schwieriger.

Ist ein Grund für den hohen Ausländeranteil, dass diese Spieler billiger sind als Einheimische? Nein, das hat sicher nichts mit dem Geld zu tun, sondern dass bei uns zu wenige Spieler aus dem eigenen Nachwuchs nachkommen.

Auch wenn das Burgenland im Europavergleich eine Insel der Seligen ist, auch bei uns haben etliche Fußballvereine zugesperrt. Ist diese Serie jetzt beendet? Es wird leider immer wieder Vereine geben, die nicht mehr können. Ich hoffe, dass sie vorher mit anderen fusionieren. Ich sehe auch eine Mitverantwortung der Gemeindepolitik, die manchmal erst dann die Wichtigkeit des Vereins erkennt, wenn es ihn nicht mehr gibt.

In der Landeshauptstadt gibt es längst keinen Klub mehr.Doch, in St. Georgen.

Schon, aber das ist ein Ortsteil. Es ist schade, dass es in Eisenstadt selbst keinen Verein gibt. Das ist natürlich fürs Burgenland nicht gut. Aber ich fürchte, daran wird sich in Zukunft nicht viel ändern.

Welchen Stellenwert hat der burgenländische Fußball im Vergleich? In der Regionalliga Ost könnten zwei von vier Burgenland-Klubs absteigen... Mit Mattersburg haben wir wieder einen Verein in der Bundesliga, das ist ganz wichtig für den burgenländischen Fußball. Dass es weiter unten ein Auf und Ab gibt, ist klar. Grundsätzlich ist mir aber lieber, wenn ein Verein sportlich zurücksteckt, wenn es wirtschaftlich nicht mehr zu stemmen ist. Ich habe großen Respekt vor Funktionären, die das nötige Rückgrat haben. Die Wirtschaftlichkeit geht vor sportlichen Erfolg.

Kommen wir zum Fußballverband, wie geht‘s dem BFV? Wirtschaftlich und organisatorisch stehen wir auf sicherem Fundament. Unser Budget liegt bei etwa 1,3 Millionen Euro, wir bilanzieren ausgeglichen und sind im ÖFB gut verankert.

Seit Jahren klagt der BFV über die finanzielle Belastung durch die Fußballakademie in Mattersburg. Es ist eine Lösung in Sicht, die die finanzielle Lage für den Verband erleichtert.

Thema war zuletzt auch ein möglicher Umzug des Verbandes aus Eisenstadt ins Landessportzentrum nach Steinbrunn? Das taucht immer wieder auf, wir haben uns aber nicht näher damit beschäftigt. An eine Standortverlegung ist nicht gedacht.

Der BFV ist größter Einzelsportverband, wie mächtig ist er? Wir sind nicht mächtig, aber auch nicht ohnmächtig.

Ist der Fußball politischer Spielball? Nein, aber es ist wichtig, dass sich die Politik zum Fußball bekennt und sich engagiert. Mir ist lieber, dass der Landeshauptmann und der Sportminister Bescheid wissen, wenn sie über Fußball reden, statt zu sagen, das interessiert sie nicht. Deshalb ist es eine Auszeichnung für Verband und Vereine, dass beide zur Hauptversammlung kommen.

Für die Hauptversammlung am Sonntag ist im Wahlvorschlag nur eine Position strittig. Für den Verbandsjuristen gibt es eine Kampfabstimmung zwischen Robert Bencsics und Wolfgang Rebernig. Ihr Wunschkandidat? Ich werde sicher keine Empfehlung abgeben, die Vereine sollen ihre Wahl treffen. Ich muss nicht nur, sondern ich kann mit beiden leben. Das ist ja kein Wunschkonzert für den Präsidenten. Wir haben in jedem Fall ein sehr gutes Vorstandsteam.

Treten Sie 2020 noch mal an? Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wenn ich am Sonntag gewählt werde, möchte ich mich mit ganzem Eifer weiter für den burgenländischen Fußball einsetzen.

Und in Parndorf, wo Sie seit einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Fußballklubs stehen? Ich habe meine Funktion angeboten, aber bis dato hat sich niemand gefunden, der sie mir abnimmt. Aber ich arbeite daran (lacht).

Wie weit kommt Österreich bei der EM? Den Grunddurchgang überstehen wir sicher.

Seit 1991 ist Gerhard Milletich Obmann des SC/ESV Parndorf, seit 2012 auch Präsident des Fußballverbandes (BFV) mit 168 Klubs. Am Sonntag stellt sich der bald 60-jährige Kommerzialrat und Unternehmer (Bohmann-Verlag, Schau-TV) in Eisenstadt der Wiederwahl.