ÖVP ruft Staatsanwalt an, sobald Niessl-Büroleiterin Gericht leitet
Von Thomas Orovits
Bisher nahm man es im Landhaus locker: Die Kritik an der Neubesetzung des Präsidentenamts am Landesverwaltungsgericht (das LVwG urteilt über Beschwerden gegen Verwaltungsbescheide) sei „nur ein Lüfterl“, hatte es vor einigen Wochen geheißen. Das könnte sich ändern. Denn im Bestellungsverfahren ist eine „Unter-Kommission“ am Werk, die sich bisher auch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit befunden hat.
Seit Juli läuft die Suche für die Nachfolge von LVwG-Präsident Manfred Grauszer – wiewohl der erst Ende 2019 in Pension geht. Unter den neun Bewerbern, darunter Richter des LVwG, galt Christina Krumböck von Anfang an als gesetzt. Ihr Vorteil: Sie ist Büroleiterin von Landeshauptmann Hans Niessl. Ihr Nachteil: Im Team von Niessl-Nachfolger Hans Peter Doskozil gibt‘s keinen Platz.
Die Auswahl obliegt einer in §21 des Landesverwaltungsgerichtsgesetzes verankerten fünfköpfigen Kommission. Vorsitzender ist Landesgerichtspräsident Karl Mitterhöfer, dazu kommen drei weisungsgebundene Beamte des Landes und ein Mitarbeiter des Wiener Personalberaters Boyden. Das Quintett erstellt mit einfacher Mehrheit eine Reihung, das letzte Wort hat die rot-blaue Landesregierung. So weit, so theoretisch.
Wie dem KURIER nun aber bestätigt wurde, habe sich Folgendes zugetragen: Bei Boyden in Wien mussten alle neun Kandidaten zum Hearing antreten, dort sei ihnen nur der Personalberater gegenüber gesessen. Wochen später gab‘s dann ein weiteres Hearing – vor einer Dreierkommission. In ihr saß neben dem Boyden-Mitarbeiter und der Leiterin der Rechtsabteilung des Landes, Monika Lämmermayr, zur allgemeinen Überraschung der pensionierte Vizepräsident des Landesgerichts Alfred Ellinger, ein Strafrechtler. Viele Kandidaten empfanden diese Vorgangsweise als „skandalös“.
Dem Vernehmen nach (Mitterhöfer war am Mittwoch nicht erreichbar) hat die fünfköpfige Kommission selbst einstimmig das Dreier-Gremium eingesetzt, das die Kandidaten reihen soll. Man wollte Boyden zwei Juristen – Lämmermayr und Ellinger (er ist auch Leiter der Objektivierungskommission im Landesdienst) – beistellen. Wozu im Landesverwaltungsgerichtsgesetz eine Fünferkommission steht, wenn ein anders besetztes Dreiergremium entscheidet, ist zumindest verwirrend.
Die ÖVP hat ihr Urteil schon gefällt, ortet „Postenschacher“ und fordert eine Neuausschreibung der Präsidentenstelle. ÖVP-Klubchef Christian Sagartz und Geschäftsführer Christoph Wolf kündigten eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft an, „sollte Niessl seine Büroleiterin ins Amt hieven“. Die Türkisen sehen den Verdacht des Amtsmissbrauchs, wenn jemand berufen werde, der „offensichtlich die Qualifikationsmerkmale nicht erfüllt“ – die Büroleiterin habe „noch nie einen Bescheid ausgestellt“ und ihr fehle „die geforderte juristische Praxis“. SPÖ und FPÖ wiesen die „Skandalisierungsversuche der ÖVP“ vehement zurück.