Neues Wahlrecht soll bleierne Zeit der Koalitionen beenden
Von Thomas Orovits
Es war wohl eine der letzten Niederlagen von Sebastian Kurz: Beim ÖVP-Bundesparteitag 2015 blieb der Vorschlag der Jungen Volkspartei unter Führung des damaligen Außenministers Kurz für ein Mehrheitswahlrecht knappest in der Minderheit. Das vom Parteigremium abgelehnte Modell sah vor, dass die stimmenstärkste Partei bei Nationalratswahlen „die Hälfte der Mandate minus eins“ erhalte. Das Regieren sollte so leichter werden, das überkommene Verhältniswahlrecht sorge nur für „Frust und Blockaden“.
Burgenlands ÖVP-Chef Thomas Steiner geht jetzt einen kleinen, aber entscheidenden Schritt weiter und schlägt für alle Ebenen (Gemeinde, Land, Bund) ein echtes Mehrheitswahlrecht vor. Sobald keine Partei über 50 Prozent kommt, treten die beiden stimmenstärksten Parteien zur Stichwahl an. Der Sieger erhält „die Hälfte der Mandate plus eins“. Die restlichen Mandate werden nach dem Ergebnis des ersten Wahlgangs (nach Verhältniswahlrecht) auf die anderen Parteien aufgeteilt. Damit die Opposition nicht ganz an den Rand gedrängt wird, bekäme die zweitstärkste Kraft den Parlamentspräsidenten und die Oppositionsrechte würden „massiv“ ausgeweitet.
Die oft bleierne Zeit der Koalitionsregierungen samt wechselseitigem „Haxlstellen “ wäre damit vorbei. Steiner hat diesen Vorschlag in Grundzügen schon 2016 via KURIER unterbreitet, als die SPÖ-ÖVP-Koalition im Bund in den letzten Zügen lag. Dass er ihn jetzt wieder aufs Tapet bringt, hängt auch mit dem designierten SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zusammen, der im Herbst 2018 ebenfalls im KURIER die Direktwahl des Landeshauptmannes gefordert hatte. Für Steiner „ein populistischer Vorschlag, der nur beim ersten Hinhören gut klingt“. Tatsächlich sei die Direktwahl eine „relativ einfache Antwort für ein komplexes Thema“. Das Mehrheitswahlrecht sei hingegen viel umfassender und beinhalte auch die LH-Direktwahl.
Um das Mehrheitswahlrecht auszuarbeiten, sollte auf Landesebene ein „Burgenland-Konvent“ mit Politikern und Verfassungsexperten eingerichtet werden, der in Ruhe und unabhängig von Wahlterminen ein beschlussfähiges Modell zimmert, das dann vermutlich auch einer Volksabstimmung unterzogen werden müsste. Bis zur Landtagswahl 2020 gehe sich das aber nicht aus, das wäre „unseriös“, so Steiner.
Nicht bloß für unseriös, sondern für einen „Schuss ins Knie“ fürs Burgenland hält die ÖVP die Vorgangsweise der rot-blauen Landesregierung im Zusammenhang mit der umstrittenen Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Wohnbaugesellschaften Gesfö und Riedenhof, für die 17 Millionen Euro ins Landesbudget flossen. Das Land hat kürzlich bei der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts von Betrug und Untreue eingebracht und vermutet einen Schaden von bis zu 40 Millionen Euro (der KURIER hat berichtet). ÖVP-Parteimanager Christoph Wolf und Mandatar Markus Ulram kündigten am Mittwoch an, die ÖVP werde den Landesrechnungshof einschalten. Denn Rot-Blau habe in dieser Causa seit Herbst 2015 „viele große Fehler gemacht“, die es aufzuklären gelte. Die SPÖ wirft der ÖVP vor, sich „von Immobilienspekulanten vor den Karren spannen“ zu lassen.