Multi-Kulti in Mattersburg
Von Georg Gesellmann
Wenn man es so haben möchte: der Bezirksvorort Mattersburg ist mit 49 Nationen ein Schmelztiegel, wie er sonst im Burgenland nicht zu finden ist. Und trotzdem funktioniert - nach außen hin zumindest - das Zusammenleben reibungslos. Weder Türken (108 Personen) noch Deutsche (48), Ungarn (118), Bosnier (55), Polen oder Serben (jeweils 35) stören die Ruhe, Idylle wäre übertrieben, von Mattersburg. "Es gibt mit den Ausländern nicht mehr und nicht weniger Probleme als mit den Einheimischen", sagt Robert Galler, Bezirkskommandant der Polizei Mattersburg.
Auch Amtsleiter Karl Aufner kann nichts Gegenteiliges über die Mattersburger mit Migrationshintergrund berichten. "Und das seit 30 Jahren", sagt Aufner, der ebenso lange in Amt und Würden in der Gemeinde Mattersburg tätig ist. Fast möchte er sie als Dorferneuerer bezeichnen. Denn ob Türke oder Serbe, sie kaufen alte Häuser und richten sie "wunderbar" her. "Schau"n Sie in die Bahnstraße", gibt er den Tipp. In der Tat: Ein Haus, das lange Zeit verfallen dagestanden hatte, darf man jetzt als Schmuckkästchen bezeichnen.
Nicht nur die Exekutive und die Behörde lassen kein böses Wort über das Zusammenleben der 49 verschiedenen Ethnien kommen: "Nein, hier in Mattersburg hat es noch nie Probleme mit Einheimischen oder Nicht-Einheimischen gegeben", sagt Dursay Korkmaz, die seit 30 Jahren in dem burgenländischen Bezirksvorort im Hochhaus, in dem relativ viele Ausländer wohnen, lebt.
Fleißig und brav
Mittlerweile ist die in der Türkei geborene Korkmaz österreichische Staatsbürgerin. Fleißig und brav ist sie, könnte man noch hinzufügen. So wie es der Österreicher gerne sieht. Auch Korkmaz' Ehegatte und die vier Kinder sind Österreicher. Ihren islamischen Glauben hat die Familie bis heute nicht aufgegeben, geschweige denn verleugnet.
Man könnte es auch am Kopftuch erkennen, das Dursay Korkmaz trägt. Aber nur wenn man genau schaut. Es ist sehr bunt, das Kopftuch. Macht man einige Kilometer weiter ostwärts in Richtung Eisenstadt Station, kann man Österreicherinnen mit ähnlicher Kopfbedeckung antreffen. Vielleicht sind sie ein wenig älter als Dursay Korkmaz.
Wunsch und Traum
Die Familie Korkmaz steht zu ihrem Glauben. Und deshalb ist ihrer Meinung nach ihr Wunsch, und auch ihr Traum, dass in Mattersburg ein islamistisches Zentrum errichtet wird, berechtigt. "Wissen Sie," sagt Korkmaz (sie ist mit dem begnadeten Kicker gleichen Namens "leider" weder verwandt noch verschwägert), "meine Kinder sind den ganzen Tag unterwegs, machen brav ihre Schulaufgaben, nur für den Glauben haben sie zu wenig Zeit".
Mohammeds Lehre zu erhalten, den Koran zu studieren, sei nur im 18 Kilometer entfernten Wr. Neustadt möglich. Dort gibt es drei Gebetshäuser bzw. Zentren. Die Freiheitlichen unter der Federführung ihres Stadtparteiobmannes, Peter Pregl, können der Familie Korkmaz nicht wirklich helfen. Selbst dann nicht, als sie "neue Hinweise" erhielten, dass die ehemalige Diskothek Phoenix, am Stadtrand von Mattersburg gelegen, zum Islam-Zentrum umfunktioniert werden soll.
Denn aus dem wird nichts. Es gab zwar eine einmalige Anfrage von Türken bei dem Besitzer der ehemaligen Disko, aber das war's dann schon. In Mattersburg wird kolportiert, dass diese neuen Hinweise bereits das Einläuten für die Gemeinderatswahlen 2012 waren. So soll Peter Pregl mit den beiden Interessierten gesehen worden sein. "Blödsinn", sagt Pregl im KURIER-Gespräch, "ich kenne die beiden nicht."
Ungewiss
Ob die Familie Korkmaz in einem Islam-Zentrum ihrem Glauben nachgehen kann oder nicht, das ist bis dato ungewiss. Vor den Gemeinderatswahlen im nächsten Jahr dürfte wohl keine Entscheidung fallen. Denn sollte sich die Gemeinde für ein Islam-Zentrum breit machen, "dann ist die SPÖ hin", so ein Mattersburger, der bereits 50 Jahre dort lebt und gerne Kebab isst.
Migranten: Seit 30 Jahren konstant
Statistik Die Stadt Mattersburg (ungarisch: Nagymarton (Groß-Martin), kroatisch: Matrštof) ist die Bezirkshauptstadt des gleichnamigen Bezirkes mit 7666 Einwohnern (Stand 9. September 2011). 8,09 Prozent davon sind Ausländer. Diese Prozentpunkte haben sich in den vergangenen 30 Jahren nicht wesentlich verschoben. Rechnet man die Nebenwohnsitzer mit Migrantenhintergrund dazu, so kommt man auf 20,93 Prozent. Diese relativ hohe Zahl ist deshalb gegeben, weil Ungarn und Rumänen dort als Pflegehelfer tätig sind. Die Glaubensbekenntnisse sind nicht zu eruieren.