Chronik/Burgenland

Jüdisches Museum: Tante Giesis Freude in Amerika

Was tut ein Goi (Nichtjude) als Leiter in einem Jüdischen Museum? "Ich führe das Museum", so einfach lautet die Antwort von Johannes Reiss, der seit Jahren dem Jüdischen Museum in Eisenstadt vorsteht.

Seit dem 17. Jahrhundert steht das Wertheimer Haus auf dem Platz (Landesrabbiner Samson Wertheim, 1658-1724), das Museum ist in der Unterbergstraße 6, POB 67, dort aber erst seit 1972 untergebracht. Vor 40 Jahren hat es eine Institution dieser Art nicht gegeben. Für österreichische Verhältnisse sei das "relativ früh" gewesen, so Reiss.

War es tatsächlich so früh? Erst 27 Jahre nach dem Hitlerfaschismus ein derartiges Museum zu eröffnen? "Wie wir ja wissen, um es salopp zu sagen, war es in den Jahren und Jahrzehnten nach 1945 ein Krampf." Das habe mit Vergangenheitsbewältigungskultur und -politik zu tun. Um "plakativ" zu sprechen: "Es musste eine neue Form des Umgangs mit der jüdischen Geschichte und mit der Geschichte von Juden gefunden werden. Und zwar in Ortschaften und Regionen, in denen es einst jüdisches Leben gab und wo es plötzlich keines mehr gab."

Ein Jüdisches Museum sei sicherlich nicht die einzige und naheliegendste Form einer solchen Vergangenheitsbewältigungskultur, "aber es ist eine Möglichkeit", so Reiss.

Daher versuche das Jüdische Museum in Eisenstadt „in erster Linie seinem Ambiente gerecht“ zu werden: Der Geschichte, der Religion, der Kultur, der Region bis hin zu den Sieben Gemeinden.

"Mit der ehemaligen Judengasse, mit einer ehemaligen privaten Synagoge, die heute noch eine living synagoge ist und das Zentrum des Museums bildet, ist uns dieser Anspruch gelungen", sagt Johannes Reiss. Daher finden an die 1500 Schülergruppen aus ganz Österreich den Weg in die Unterbergstraße 6.

Volles Haus

Eisenstädter und Burgenländer "kommen auch." Bei der Langen Nacht der Museen etwa habe man "volles Haus". Da würde sein Haus unter allen Museen an dritter Stelle liegen. Auch zu den Matineen, von denen es zwar nicht so viele gebe, würden Einheimische kommen. Wenn manche Kritiker meinen, dass das Jüdische Museum einen altbackenen Eindruck hinterlasse, sagt er: "Früher hätte mich das noch gejuckt. Heute ist das Schnee von gestern."

Denn der Erfolg gibt ihm und seinen Mitarbeitern recht. Auf dem internationalen Parkett würden sie sich "sehr gut" bewegen. "Wir kommunizieren sehr viel über unseren Blog." Das hänge damit zusammen, dass die Nachkommen der burgenländischen Juden auf der ganzen Welt verstreut und an der Heimat ihrer Vorfahren interessiert seien.

Keine Pappnasen

Das seien dann die virtuellen Besucher, "die ja keine Pappnasen sind." Es gehe nicht darum, dass alle Interessierten am Jüdischen Museum nach Eisenstadt gelotst werden, sondern es gehe um die Kommunikation.

Wie mit der 95-jährigen "Tante Giesi", die in den USA lebt, deren Verwandte heute noch in Mattersburg zu Hause sind. Für Reiss ist es nicht wichtig, dass Tante Giesi in die Unterbergstraße kommt, sondern: "Ich kann für Tante Giesi etwas tun, sie informieren und sie auf einen virtuellen Besuch in unser Museum einladen."

Tante Giesi freut sich immer wieder aufs Neue.

 

Weiterführende Links

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Das Jüdische Museum in Eisenstadt war in seiner Gründung „einfach bahnbrechend“, sagt Museumsleiter Johannes Reiss. Das könne man dem wichtigsten Judaistiker Österreichs, Kurt Schubert, und Fred Sinowatz, der nicht nur Bundeskanzler, sondern auch Landesrat war, verdanken. Ob diese Initiative bei mehreren Gläschen Wein – wie ein Standard -Kollege meinte –, entstand, sei dahingestellt. Reiss: "Man weiß ja, wie‘s in Österreich rennt."

Ein Auslöser für die Gründung des Jüdischen Museums waren die so genannten Sieben Gemeinden. Sie stellten innerhalb des österreichischen und weltweiten Judentums eine absolute Besonderheit da. Diese Gemeinden existierten bis zum Jahre 1938 als blühende Orte mit prächtigen Synagogen. Der Grundstein dafür wurde bereits im 17. Jahrhundert gelegt.

Die Juden aus Wien wurden vertrieben und kamen ins Einzugsgebiet der Esterházy. Sie zahlten hier Schutzgebühren, durften dafür aber auch den Schutz der Herrschaft in Anspruch nehmen. Doch das Fürstengeschlecht hatte nicht nur finanzielle Vorteile, die Juden waren ein politisches Instrument der Machtdemonstration – Esterházy traute sich Minderheiten anzusiedeln.