Hans Niessl: "Muss nicht Everybody’s Darling sein"
Von Thomas Orovits
Hans Niessl tritt 31. Mai zum vierten Mal als SPÖ-Spitzenkandidat an. Der 63-Jährige erklärt, wo die ÖVP "nicht klüger" geworden sei, warum er die Grünen für "verhaltensoriginell" hält und dass er Sozialminister Rudi Hundstorfer als Bundespräsidentschaftskandidat unterstützen würde.
KURIER:Sie regieren seit 15 Jahren mit der ÖVP, die letzten fünf Jahre waren eigentlich die harmonischsten, trotzdem wird seit Monaten gestritten – ist die große Koalition am Ende?
Hans Niessl: Die Erfolge der Vergangenheit sind unbestritten, aber jetzt geht‘s um die Zukunft und die Lösung anstehender Probleme. Die Wirtschaft ist globalisiert, auch zwischen den Bundesländern wird der Wettbewerb härter und die vermutlich letzte EU-Förderperiode müssen wir optimal nützen, um dem Land einen ordentlichen Schub zu verpassen.
Was heißt das für die Politik?
Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik fürs 21. Jahrhundert mit moderner Wirtschaftsförderung, weniger Bürokratie und mehr Sparsamkeit bei ausgelagerten Landesgesellschaften. Und am allerwichtigsten: Wie bringen wir mehr Burgenländer in Beschäftigung, wir sind ja hier gewählt.
ÖVP-Landeshauptmannvize Steindl will 500 Lehrlinge im Land und landesnahen Firmen.
Der größte Wahlkampfgag. In der Krages müsste man demnach 200 Lehrlinge einstellen. Am Krankenbett dürfen sie nicht arbeiten, also müssten sie in die Verwaltung, wo es insgesamt nicht einmal 200 Mitarbeiter gibt – das wären ja griechische Verhältnisse mit aufgeblähter Verwaltung und die gibt‘s mit mir sicher nicht.
Konsens mit der ÖVP scheint es bei Bürokratieabbau und Landesbeteiligungen zu geben...
...Tschuldigung, Grundsatzbeschlüsse sind relativ einfach, aber die Umsetzung ist komplex, wenn es um Neustrukturierung ausgelagerter Gesellschaften oder teilweise Zusammenlegung von Abteilungen im Land geht. Und ich habe bis jetzt noch kein Signal der Steindl-ÖVP gegen Lohn- und Sozialdumping vernommen und dass es ein Fehler war, im Ausland für den burgenländischen Arbeitsmarkt zu werben.
Sie meinen AMS-Chefin Helene Sengstbratl, der SPÖ und Gewerkschaft vorgeworfen haben, sie hätte Ungarn eine symbolische Arbeitserlaubnis überreicht, was sie bestritten hat. Das liegt vier Jahre zurück.
Ja, aber die ÖVP hält das immer noch für gut und ist seither nicht klüger geworden. Diesen Fehler darf man kein zweites Mal machen, sonst werden wir in Österreich zur Lachnummer.
Nachdem Sie Wirtschaftsreferent Steindl quasi das Misstrauen ausgesprochen haben, ist künftig Zusammenarbeit undenkbar?
Ich habe nur gesagt, was irritierend für mich ist und was ich zukünftig ausschließen will. Eine Möglichkeit zur Umsetzung einer modernen Wirtschaftspolitik ist ein externer unabhängiger Wirtschaftsexperte, es gibt schon Interessenten.
Es könnte eine Koalition mit der ÖVP geben, ohne einen Wirtschaftsreferenten Steindl?Alles in der Demokratie zulässige kann man diskutieren. Es gibt ja auch die Möglichkeit einer Dreier-Wackelkoalition gegen die SPÖ.
Die Hoffnung auf die Rückeroberung der absoluten Mehrheit haben Sie abgehakt?Man muss realistisch sein, es treten mehr Parteien an. Es steht derzeit 44 Prozent SPÖ zu 44 Schwarz-Blau. Unser Ziel ist das Halten des 18. Mandats, damit es keinen Landeshauptmann gegen die SPÖ geben kann.
Ist Rot-Grün eine Option, in Wien lief das eher holprig?
Die Grünen sind verhaltensoriginell. Wo sie in der Landesregierung sitzen, erfüllen sie die Asylquote nicht, als das Burgenland die Quote nicht zu 100 Prozent erfüllte, folgte ein Aufschrei. Und in Wiener Neustadt haben sie Schwarz-Blau ermöglicht, im Burgenland plakatieren sie gegen Rot-Blau.
Viel Sympathie höre ich da nicht heraus?
Man muss in der Politik eine gerade Linie verfolgen, mit Doppelbödigkeit habe ich ein Problem. Aber das schließt nicht aus, dass man in Gesprächen eine klare Linie findet.
Man hört, Rot-Blau wäre auch manchen in der Bundes-SPÖ gar nicht unrecht, um einen Testfall zu haben?
Für mich ist unsere Mitgliederbefragung Grundlage, wo 16.000 den Auftrag für Gespräche mit allen Parteien erteilt haben. Wirtschaft, Bildung und Sicherheit sind meine Eckpunkte. Dafür suche ich einen Partner, auf den ich mich verlassen kann.
Wer ist dieser Partner?
Ich habe keine Präferenz. Erst ist der Wähler am Wort, im Juni werden die von mir genannten Eckpunkte verhandelt.
Ein Eckpunkt sind "burgenländische Arbeitsplätze für Burgenländer", Experten halten das für EU-rechtswidrig.
Eine typische Falschinterpretation, natürlich gibt es Steuerungsmöglichkeiten. Die Siedlungsgenossenschaften unterliegen nicht dem Vergaberecht und vergeben heuer Aufträge im Ausmaß von 120 Millionen Euro an burgenländische Firmen.
Und wenn sich eine ausländische Firma bewirbt?
Warum sollte sie den Auftrag bekommen, wenn wir burgenländisch bauen? Auch das Bestbieterprinzip bietet Steuerungsmöglichkeiten.
Entzündet hat sich diese Diskussion an den landeseigenen Thermen. Was, wenn sich dort Ausländer bewerben?
Die Thermen können nehmen, wen sie für richtig halten. Aber warum soll ich Ausländer nehmen, wenn ich burgenländische Bewerber habe? Im neuen Fachmarktzentrum Pado in Parndorf arbeiten 80 Prozent Inländer, hauptsächlich Burgenländer. Das wird die Latte für andere.
Aber Private – Haushalte wie Betriebe – können schon beauftragen, wen sie wollen?
Wenn sie gut beraten sind, nehmen sie burgenländische Firmen, die Qualität liefern und Garantie bieten. So bleibt das Geld im Land.
Ein zweites Reizthema ist Sicherheit. Warum eigentlich, das Land ist ohnehin das sicherste?
Ja, weil wir pro Einwohner die meisten Polizisten und die höchste Aufklärungsquote haben. Aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen und brauchen stichprobenartige Grenzkontrollen. Für 95 Prozent der Burgenländer ist das verständlich, nur die ÖVP unterstellt mir, ich möchte wieder Stacheldraht an der Grenze.
Was, wenn das Innenministerium Videoüberwachung gegen Einbrüche in Kittsee ablehnt?
Dann werden wir die Bürgermeisterin unterstützen, dass es ein anderes Sicherheitskonzept gibt. Die Politik kann nicht tatenlos zuschauen, wenn in einem Ort sieben Prozent der landesweiten Delikte anfallen.
Bleiben Sie und Ihr Regierungsteam bis 2020?
Ja, die Gesundheit vorausgesetzt.
Apropos, genießt auch Gesundheitslandesrat Peter Rezar Ihr uneingeschränktes Vertrauen? Er hat mit dem Krankenhaus Oberwart und den Ärzteverhandlungen zwei Baustellen?
Er genießt mein Vertrauen. Mit den Ärzten hat er es vor den Wahlen nicht leicht. Ich wundere mich ja über manche Ärzte, die Patienten bestellen, dann aber nicht behandeln und sie auffordern, das beim Landeshauptmann zu deponieren.
Sie schließen nicht aus, 2020 noch einmal zu kandidieren und wären dann länger Landeshauptmann als Theodor Kery – ein Vorbild?
Er war ein ganz großer Landeshauptmann. Was er zur damaligen Zeit fürs Burgenland geleistet hat, war aus meiner Sicht großartig.
Beim ersten Antreten 2000 waren Sie als dynamischer Fußballer plakatiert, jetzt mit Hund am Arm – gemütlicher geworden?
Der Job des Landeshauptmanns ist nicht gemütlicher, sondern fordernder geworden. Mit 63 Jahren ist man erfahrener, überlegter, geradliniger. Ich muss nicht mehr Everybody‘s Darling sein.
Sie hätten auch das ideale Alter für den Bundespräsidenten?
Nein, nein. Ich denke, Sozialminister Rudi Hundstorfer wäre ein sehr guter Kandidat. Wenn er ja sagt, hat er meine Unterstützung.
Wahlkampflok ohne Verschnaufpause
2000 wurde der frühere Regionalliga-Kicker Hans Niessl erst im Wahlkampf als Spitzenkandidat „eingewechselt“ und rettete der SPÖ dennoch den seit 1964 besetzten Sessel des Landeshauptmanns. 2005 holte er die absolute Mehrheit, die 2010 wieder verloren ging (48,3 Prozent), die ÖVP blieb aber auf Distanz (34,6 Prozent). Mittlerweile ist der 63-jährige frühere Bürgermeister von Frauenkirchen längst die spielbestimmende Figur, zuletzt immer öfter auch in der Bundes-SPÖ. Niessl, der Volks- und Hauptschuldirektor war, ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes.