Erinnerung an eine schwere Geburt
Von Thomas Orovits
Es gibt mehrere Tage, die sich als "Geburtsdatum" für das Burgenland als Teil Österreichs eignen – der 5. Dezember gehört nicht dazu. Dass das offizielle Burgenland trotzdem just am Montag den 95. Jahrestag begeht, hat pragmatische Gründe: Am 3. Dezember 1921 war die Besetzung des Burgenlandes durch Österreich abgeschlossen – aber das wäre heuer ein Samstag gewesen. Also wählte man den Montag. Dass am Sonntag davor die Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl stattfinden würde, konnte niemand ahnen, als vor Monaten der Termin festgelegt wurde, erzählt Johannes Pinczolits, Protokollchef des Landes. Deshalb habe man den Festakt zuletzt noch vom Vormittag auf den späteren Nachmittag verlegt, um möglichst viel Prominenz nach Pannonien zu bekommen.
Ex-Bundespräsident Heinz Fischer wird ebenso erwartet wie Justizminister Wolfgang Brandstetter oder Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Aber die Regierungsspitze ist an diesem Nachwahltag anderweitig beschäftigt. Dass die gesamte burgenländische Landesregierung mit LH Hans Niessl (SPÖ) und LH-Vize Hans Tschürtz (FPÖ) an der Spitze vollzählig vertreten ist, versteht sich von selbst. Insgesamt werden ab 16 Uhr rund 300 Gäste im Kulturzentrum Eisenstadt erwartet.
Was wird gefeiert? Bis 1918 gehörte das Gebiet des heutigen Burgenlandes zur ungarischen Reichshälfte Österreich-Ungarns. Die ansässigen Bauern und Wanderarbeiter sprachen meist deutsch oder kroatisch. Als die Habsburgermonarchie zerfiel und zwischen den neuen Republiken Österreich und Ungarn eine Grenze gezogen wurde, entstand eine Bewegung, die den Anschluss "Deutsch-Westungarns" an Österreich forderte. Im Friedensvertrag von St. Germain 1919 wurde die Übergabe an Österreich besiegelt. Ungarische Freischärler wollten das verhindern. Am 13. Oktober 1921 verpflichtete sich Ungarn zur Übergabe, Wochen später war sie vollzogen.Das Fest in Eisenstadt soll würdevoll, aber sparsam sein. Es gibt nur Würstel, Strudel und Wein. Nach der 90-Jahr-Feier 2011 hatte sich der Landesrechnungshof für die Ausgaben fürs Jubiläumsjahr interessiert – das sollte sich diesmal nicht wiederholen.
KURIER:Zum 90er sprachen Sie von einer Erfolgsgeschichte des Burgenlandes. Bleibt‘s nach den Krisenjahren dabei?
Gerald Schlag: Ja, sicher. Insgesamt hat sich das Burgenland in diesen Jahrzehnten gewaltig entwickelt. Wir leben natürlich nicht isoliert, aber auch in den Krisenjahren lief es relativ gut.
Das Burgenland hat Erfahrung mit Flüchtlingswellen; was ist jetzt das Besondere?
Die 200.000 Ungarnflüchtlinge 1956 sind großteils nicht geblieben, auch nach dem Jugoslawienkrieg sind viele heimgekehrt. Jetzt bleiben die Menschen da. Mit ihnen kommt der Orient und ein ganz anderes Denken zu uns. Sie sind wahrscheinlich nur sehr langsam integrierbar und es braucht auf beiden Seiten eine gewisse Anpassung.
Das Burgenland entstand 1921 aus der Trennung von Ungarn. Auch heute ist das Verhältnis nicht konfliktfrei. Ungarn werden als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt empfunden.
An sich sind die menschlichen Kontakte seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und seit der EU-Mitgliedschaft wieder viel stärker geworden. Und langfristig werden sich Löhne und Preise dies- und jenseits der Grenze egalisieren.
Bleibt die EU unsere Zukunft?
Es gehört zu den menschlichen Eigenschaften, dass man sich an Gutes bald gewöhnt. Aber das Burgenland würde auch jetzt wieder für den EU-Beitritt stimmen.
Was wünschen Sie dem Burgenland zum Geburtstag?
Dieses Land hat so viele Krisen bewältigt, die größer waren als die jetzigen. Neues schafft immer ein Unsicherheitsgefühl, aber am Ende schafft man‘s. Ich wünsche dem Burgenland, dass dieser Optimismus erhalten bleibt.