Chronik/Burgenland

Die Schweine kommen

Sportlich wie Johannes Reiss, Leiter des jüdischen Museums in Eisenstadt, nun einmal ist, joggt er jeden Tag zeitig in der Früh mit seinen beiden Hunden in den Wäldern am oberen Berg der Landeshauptstadt. Doch nicht immer wird seine Körperertüchtigung zum Vergnügen. Manchmal schleicht sich bei ihm Unbehagen ein. Auch seine Doggen werden nervös. Das passiert dann, wenn die drei ein Schnauben und Scharren wahrnehmen. „Das sind die Wildschweine“, sagt Reiss, „und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich auch Angst.“

Einer Kollegin passierte ähnliches. Sie wollte einen Spaziergang – auf zwei Stunden angelegt – im Leithagebirge bei Schützen am Gebirge unternehmen. Er dauerte mehr als vier, „denn ich musste den Wildschweinen ausweichen, die sich verstärkt bemerkbar machten“. Auch bei ihr machte sich Angst breit.

Diese Angst war berechtigt. Denn Wildschweine sind zwar „gesellige Lebewesen“, wie Burgenlands Landesjägermeister Peter Prieler meint, „können aber mitunter sehr aggressiv werden“. Sie werden vor allem dann angriffslustig, wenn es um ihre Frischlinge (Jungen) geht, die sie verteidigen und die derzeit (bis in den April hinein) im Aufwachsen sind.

Lebenseinstellung

Ein Wildschwein, deren Lebenserwartung bei zehn bis zwölf Jahren liegt, sei zwar nicht gescheiter als ein Reh, findet Prieler, aber da das Schwein mit bis zu zehn Mitgenossen im Familienverband lebt, habe es „zusätzliche Einstellungen zum Leben“. Sie bewegen sich anders und lernen aus Fehlern. Wird etwa in einer Gruppe ein Bruder oder eine Schwester erschossen, so wird man diesen Verband kaum an diesem Ort wiederfinden. „Sie merken sich, wo ihnen – im wahrsten Sinne des Wortes – Sauereien passiert sind“, erklärt Prieler.

Bei einem Reh sei das anders. Es lebt mehr oder weniger solo und geht seine eigenen Wege. Die Rehe kämen immer wieder auf gefährliche Plätze zurück. „Die Wildsau tut das nicht.“

Die Population der Wildschweine im Burgenland hat in den vergangenen 40 Jahren rapide zugenommen. Wie viele Schweine durch die Wälder und Felder streifen, kann Landesjägermeister Prieler nicht genau sagen. Er kann nur von Abschüssen berichten: Im Jahre 1980 wurden 606 Wildschweine erlegt, 2010 waren es 9700 (siehe Grafik). Tendenz steigend.

Lebensbedingungen

Das Anwachsen der Population hängt mit den äußerst günstigen Lebensbedingungen für die Allesfresser zusammen. Eicheln und Buchecker waren – vor allem 2011 –  in den Wäldern zuhauf vorhanden. Die Schweine fraßen und fraßen, fühlten sich wohl und so manche Bache (weibliche Wildsau) brachte bis zu acht Frischlinge zur Welt. Ob sich die Säugetiere künftig bis ins Zentrum der Stadt wagen werden wie in Berlin (dort werden jährlich 1000 Wildschweine geschossen), bleibt abzuwarten.

Doch den burgenländischen Wildschweinen geht es anscheinend nicht  schlecht, fast so  wie Gott in Frankreich.