Chronik/Burgenland

Die Politik als späte Berufung

Mit 66 Jahren... ". Nein, der Udo-Jürgens-Hit ist zu abgedroschen. Und doch, Dagmar Ensle beschreibt der Klassiker haargenau. Denn mit der doppelten "6" fing für die heute 70-Jährige das politische Leben erst an.

"Der ausschlaggebende Grund war der Tod meines Mannes. Ich wollte mein Leben neu gestalten, eine reizvolle Aufgabe übernehmen", erzählt Ensle. Der Zufall sollte Regie führen: Sechs Wochen vor der Gemeinderatswahl 2007 stand die ÖVP in Rotenturm, Bezirk Oberwart, ohne Bürgermeisterkandidaten da. Ensle, aus Wien stammend und seit 35 Jahren im Ortsteil Siget in der Wart beheimatet, stellte sich spontan zur Verfügung. Die Bevölkerung habe äußerst positiv reagiert. "Ich habe Bekannte in allen Ortsteilen und einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, der in einer Gemeinde nie fehl am Platz ist."
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und erstaunte auch die Spitzenkandidatin: Der Mandatsstand wurde von 7 (ÖVP) zu 12 (SPÖ) auf 9 zu 10 verkürzt.

"Ich bin kein Parteipolitiker, sehe das objektiv. Eine Gemeinde ist wie ein Betrieb. Was gemacht gehört, das wird gemacht", erklärt die Vizebürgermeisterin. "Ich höre mir gute Ideen an, egal von welcher Fraktion sie kommen. Aber das wird in Rotenturm von beiden Seiten praktiziert."

Konstruktiv

Natürlich sei man auch unterschiedlicher Meinung, aber vieles lasse sich durch konstruktive Gespräche lösen. Daher hätten Rot-Schwarz in der Vergangenheit zahlreiche Vorhaben in der 1500 Einwohner zählenden Ortschaft realisieren können.

Aber nicht jede Aufgabe könne an die Kommunalpolitik abgewälzt werden, zukünftig werde das Bürgerengagement über Erfolg und Wohlergehen einer Gemeinde entscheiden. Man könne nicht nur fordern, sondern müsse sich auch einbringen, betont die Spätberufene. Die Politikverdrossenheit nach den Vorfällen der letzten Zeit - Stichwort Korruption - könne sie jedoch nachvollziehen. "Es wird eine Umstrukturierung geben müssen. Und diese wird auch kommen", ist Ensle überzeugt.

Es sei zwar durchwegs eine schöne Zeit gewesen, doch 2012 werde sie nicht mehr kandidieren. Die Jugend müsse übernehmen, ihre Ideen einbringen und Verantwortung tragen. "Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Frauen engagieren. Für mich ist das Kapitel Politik dann beendet."