Chronik/Burgenland

Begas-Prozess ohne Rudolf Simandl

Sechs Angeklagte, 92 Zeugen, vorerst 24 Verhandlungstage bis zum Herbst mit möglicher Verlängerung – und mehrere Millionen Euro Schaden. Wenn heute, Montag, im Landesgericht Eisenstadt mit dem Begas-Prozess eine der größten Wirtschaftscausen des Burgenlandes der vergangenen Jahrzehnte verhandelt wird, fehlt dennoch Entscheidendes: Der von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Hauptangeklagte Rudolf Simandl wird nicht vor dem Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin Karin Knöchl erscheinen.

Der heute 65 Jahre alte langjährige Vorstand des burgenländischen Erdgasversorgers Begas soll das Unternehmen, das damals im Mehrheitseigentum von 110 Gemeinden stand, von 1997 bis 2012 wie einen Selbstbedienungsladen geführt und sich laut Ankläger um rund 3,9 Millionen Euro persönlich bereichert haben. Die Liste der Vorwürfe reicht von privaten Essen auf Firmenkosten um Zehntausende Euro bis zu Provisionszahlungen von 1,3 Millionen Euro, die Simandl laut Anklage u.a. zum Ankauf einer Liegenschaft für seinen Sohn verwendete, statt sie an Begas-Töchter weiterzuleiten. Den Gesamtschaden beziffert die WKStA in der 122 Seiten dicken Anklage mit 6,7 Millionen Euro und wirft ihm Untreue, Veruntreuung, gewerbsmäßig schweren Betrug und Geschenkannahme vor. Strafe: bis zehn Jahre.

Große Depression

Aber Simandl, der im April 2012 fristlos entlassen wurde, sei "derzeit" weder verhandlungs- noch vernehmungsfähig. So steht es im psychiatrischen Gutachten des Grazer Uni-Professors Peter Hofmann im Auftrag des Landesgerichtes Eisenstadt. Simandl soll schwer depressiv sein und in einem Jahr neuerlich begutachtet werden. Beim Strafprozess wird er deshalb fehlen. Ständig präsent wird der einst mächtige Manager, der zuletzt von der Begas einen Bruttojahresbezug von 374.148,14 Euro erhielt und nun nach eigenen Angaben eine Alterspension von monatlich netto circa 1800 Euro bekommt, dennoch sein. Denn alles, was den sechs anderen Angeklagten, die ab heute vor Gericht stehen, vorgeworfen wird, hat ursächlich mit Simandl zu tun. Verantworten müssen sich neben Simandls früherem Co-Vorstand Reinhard Schweifer die Ex-Begas-Manager Johann S., Franz S. und Alois G., Simandls Ex-Steuerberater Hermann S. und Makler Helmut B.Schweifer und G. wird Untreue angelastet, Johann S. und Franz S. Untreue, schwerer Betrug und Geschenkannahme, dem Ex-Steuerberater Untreue als Beitragstäter und dem Versicherungsmakler falsche Beweisaussage. Die Vorwürfe werden dem Vernehmen nach bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung.

Kleinere Brötchen

Dass es in diesen Fällen um weit kleinere Brötchen geht, sieht man an Schweifer, dem bloß zwei Delikte im Ausmaß von gut 118.000 Euro angekreidet werden. Eines davon: Obwohl das Land die Vorstandsgehälter einfrieren wollte, habe Simandl die Begas-Personalverrechnung 2005 angewiesen, die jährliche Bezugserhöhung fortzusetzen. Schweifer, so die Anklage, habe es unterlassen, dessen Weisungen rückgängig zu machen. Und anders als bei Simandl bestünden bei Schweifer auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für aktive Missbrauchshandlungen zur persönlichen Bereicherung oder eine wissentliche Teilnahme an den Taten von Simandl.

Die drei Begas-Manager der zweiten Ebene wiederum hätten wissentlich ihre Befugnisse missbraucht, indem sie Simandl unberechtigte Zahlungen zukommen ließen, wobei sie die Schädigung der von ihnen vertretenen Gesellschaften billigend in Kauf nahmen. Zudem konnte die Staatsanwaltschaft bei ihnen auch keine persönliche Bereicherung feststellen.Wie sinnvoll ist unter diesen Umständen eine Hauptverhandlung, wenn der Hauptangeklagte fehlt? Es mache die Sache "nicht einfacher", sei aber möglich, sagte Gerichtsvizepräsident Bernhard Kolonovits im Vorfeld. Was ab heute zu beweisen ist.

Am 10. April 2012 erhielt der damalige Bewag-Vorstand Michael Gerbavsits, dessen Unternehmen gerade die Fusion mit der Begas vorbereitete, ein anonymes Kuvert – von einer Begas-Mitarbeiterin, wie sich später herausstellte. Enthalten waren Rechnungen und der Hinweis, da sei "was gelaufen". Etwa die Anschaffung von drei TV-Geräten und einer Kaffeemaschine, die im gesamten Konzern nicht auffindbar waren. Bis zur fristlosen Entlassung des bis dahin allmächtigen Begas-Chefs Rudolf Simandl dauerte es keine 14 Tage. "Warum wollt ihr mich hinrichten", fragte Simandl.Seither gab es zwei interne Sonderprüfungen, einen Prüfbericht durch den Rechnungshof, Zivilprozesse der Begas-Rechtsnachfolgerin Energie Burgenland gegen Simandl (gewonnen) und dessen früheren Co-Vorstand Reinhard Schweifer, der seinerseits auch geklagt hat (noch anhängig) und schließlich jahrelange Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Am vorläufigen Ende steht der heute im Landesgericht Eisenstadt beginnende Prozess (siehe nebenstehenden Bericht).Rund sechs Millionen Euro konnten von der Energie Burgenland bisher auf dem Klagsweg wieder zurückgeholt werden, heißt es aus dem Unternehmen, der größte Teil stammt von Simandl.Übrigens gibt es noch laufende Ermittlungen der WKStA gegen Simandl und andere, unter anderem im Zusammenhang mit der nie errichteten Müllverbrennungsanlage Heiligenkreuz. Ob es weitere Anklagen geben könnte? "Unsere Ermittlungen sind ergebnisoffen", sagt WKStA-Sprecher René Ruprecht.